Kommentar
Die OFD Frankfurt befasst sich in einer neuen Verfügung zur Einheitsbewertung mit der Frage, wie Abbruchverpflichtungen bei Erbbaurechten und bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden steuerlich zu berücksichtigen sind.
Gebäudelebensdauer von 30 Jahren
Besteht die Verpflichtung, ein Gebäude bei Beendigung eines Erbbaurechts abzubrechen, muss ein Abschlag berechnet werden, dessen Höhe sich bei einer Bewertung im Ertragswertverfahren aus den Bewertungsrichtlinien Grundvermögen (Anlage 9 Abschn. 48 Abs. 5, Abschn. 50 Abs. 3 BewRGr) ergibt. Die darin abgedruckte Tabelle endet bei einer restlichen Lebensdauer des Gebäudes von 30 Jahren.
Abschlag bei Erbbaurecht
Die OFD Frankfurt weist mit Verfügung vom 3.7.2019 darauf hin, dass auch bei einer restlichen Gebäudelebensdauer von mehr als 30 Jahren ein Abschlag vorgenommen werden muss. Einem Erbbauberechtigten wird ein Anteil am Gebäudewert zugerechnet, wenn das Erbbaurecht noch mehr als 30 Jahre und weniger als 50 Jahre dauert und das Gebäude bei Ablauf des Erbbaurechts entschädigungslos auf den Eigentümer des belasteten Grundstücks übergeht (§ 92 Abs. 3 Satz 5 i.V.m. Satz 2 BewG).
Bei dem wirtschaftlich ähnlich liegenden Fall, dass der Erbbauberechtigte das Gebäude bei einem mehr als 30, aber weniger als 50 Jahre andauernden Erbbaurecht abbrechen muss, kann dem Erbbauberechtigten ebenfalls nicht der volle Gebäudewert zugerechnet werden, sondern nur ein um einen Abschlag geminderter Wert. Entsprechendes gilt bei einem Gebäude auf fremdem Grund und Boden. Die OFD weist darauf hin, dass der Abschlag bei einer Bewertung im Ertragswertverfahren der Tabelle im Anhang 25 zu Abschn. 31, 48, 50 BewRGr entnommen werden muss.
Unterbleibender Abbruch
Sofern konkret vorhersehbar ist, dass es trotz einer bestehenden Abbruchverpflichtung nicht zu einem Abbruch des Gebäudes kommen wird, muss ein Abschlag nach § 92 Abs. 4 und § 94 Abs. 3 Satz 3 BewG unterbleiben. Wann trotz bestehender Abbruchverpflichtung ein Nichtabbruch eines Gebäudes vorhersehbar ist, hat der BFH mit Urteilen vom 30.1.2019 (II R 26/17) und vom 16.1.2019 (II R 19/16) dargelegt.
Rechtsprechung des BFH
Im Verfahren II R 19/16 hatten Eheleute eine Gartenparzelle in einer ehemaligen Kleingartenkolonie gepachtet; ein darauf errichtetes Steinhaus mit Wintergarten hatten sie der Vorpächterin abgekauft. Im Pachtvertrag war geregelt, dass das Gebäude zwar geduldet wird, bei Beendigung des Pachtverhältnisses jedoch auf Wunsch der Verpächter zu entfernen ist. Mit dem Finanzamt stritt man sich darüber, ob die vertragliche Abbruchverpflichtung den Ansatz eines Abschlags rechtfertigt oder aber vorhersehbar war, dass das Gebäude trotz der Verpflichtung nicht abzureißen war, sodass die Besteuerung abschlagsfrei erfolgen muss.
In erster Instanz entschied das FG Berlin-Brandenburg, dass kein Abschlag vorzunehmen ist. Mit dem Abbruch des Hauses war nach Meinung des FG zum maßgeblichen Feststellungszeitpunkt nicht zu rechnen gewesen, da die Verpachtung der Parzellen zu Wohnzwecken in der Siedlung bereits seit 1945 andauerte.
Der BFH hob die finanzgerichtliche Entscheidung jedoch auf und erklärte, dass die getroffenen Feststellungen des FG nicht genügten, um von einem vorhersehbaren Nichtabbruch des Gebäudes auszugehen. Die Bundesrichter betonten, dass es konkrete Anhaltspunkte dafür geben muss, dass ein Abbruch unterbleiben wird - eine gewisse Wahrscheinlichkeit hierfür genügt nicht. Die vom FG angeführte langjährige Nutzung der Siedlung zu Wohnzwecken ist allein kein tragfähiger Grund, um von einem Fortbestand des Gebäudes auszugehen. Es fehlten Feststellungen, ob die Pachtverträge der anderen Pächter in der Vergangenheit stillschweigend oder ausdrücklich verlängert worden waren oder ob sie von vornherein für eine lange Laufzeit abgeschlossen worden waren. Auch der Pachtvertrag der Vorpächterin muss näher beleuchtet werden (z.B. hinsichtlich darin enthaltener Abbruchverpflichtungen).
Prüfung eines vorhersehbaren Nichtabbruchs
Die OFD hebt hervor, dass für die Prüfung eines vorhersehbaren Nichtabbruchs nach dieser Rechtsprechung das Verhalten
- der am konkreten Miet- und Pachtverhältnis beteiligten Personen,
- der Rechtsvorgänger oder
- der an vergleichbaren Miet- oder Pachtverhältnissen beteiligten Personen
berücksichtigt werden kann.
Die Finanzämter tragen die Feststellungslast für Tatsachen, die für einen Nichtabbruch eines Gebäudes bei Vertragsende sprechen; sie müssen den Abschlag gewähren, wenn sich solche Tatsachen nicht hinreichend sicher feststellen lassen.
Link zur Verwaltungsanweisung
OFD Frankfurt, Verfügung v. 3.7.2019, S 3215 A – 003 – St 72