Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Geben Unternehmer unentgeltlich Lebensmittel kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums oder bei Frischware kurz vor Ablauf der Verkaufsfähigkeit an karitative Einrichtungen für Bedürftige ab (z. B. Abgabe an sog. "Tafeln"), könnte eine Wertabgabe nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG vorliegen, sodass eine Besteuerung mit den Wiederbeschaffungskosten nach § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG erfolgen müsste.
Die Referatsleiter haben dazu beschlossen, dass es in diesen Fällen nicht beanstandet wird, wenn von einer Umsatzbesteuerung abgesehen wird. Voraussetzung dafür ist, dass von der karitativen Einrichtung keine Zuwendungsbestätigung ausgestellt wird.
Obwohl die Abgabe der Lebensmittel nicht der Besteuerung unterliegt, hat der Unternehmer dennoch aus den Leistungsbezügen den vollen Vorsteuerabzug, eine anteilige Kürzung des Vorsteuerabzugs kann systematisch nicht in Betracht kommen.
Konsequenzen für die Praxis
Die Entscheidung war überfällig und geboten. Darüber hinaus geht die Finanzverwaltung mit dieser Entscheidung einem systematischen Streit aus dem Weg. Würde von einem steuerbaren und steuerpflichtigen Umsatz ausgegangen werden, würde sich die Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG mit den Wiederbeschaffungskosten zum Zeitpunkt der Abgabe bestimmen. Dabei könnte nicht von dem Einkaufspreis von noch handelbarer Ware ausgegangen werden, es müsste von einem fiktiven Einkaufspreis solcher, kurz vor dem Verfallsdatum stehender Produkte ausgegangen werden. Systematisch wäre hier auch vertretbar, von einem gegen Null tendierenden Wiederbeschaffungspreis auszugehen.
Gibt der Unternehmer Lebensmittel an karitative Einrichtungen ab und erhält dafür eine Zuwendungsbestätigung für Spendenzwecke, handelt es sich um eine entgeltlich ausgeführte Leistung des Unternehmers, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar und – soweit keine Steuerbefreiung anwendbar ist – auch steuerpflichtig ist. Die "Gegenleistung" besteht tatsächlich und der Höhe nach in der Zuwendungsbestätigung. Ob für die Abgabe der Regelsteuersatz oder der ermäßigte Steuersatz anzuwenden ist, hängt von der Art der abgegebenen Waren ab.
Die Regelung ist nach Absprache der Referatsleiter Umsatzsteuer in allen noch offenen Fällen anzuwenden, die Veröffentlichung in einem "offiziellen" Schreiben des BMF ist derzeit nicht geplant.
Link zur Verwaltungsanweisung
LSF Sachsen, Verfügung v. 18.9.2012, IV D 3 - S 7423/12/10001, DStR 2013 S. 199.