Leitsatz
Die Nutzung eines Food-Courts in einem Einkaufszentrum kann beim Verzehr von Speisen als überwiegendes Dienstleistungselement zum Vorliegen einer sonstigen Leistung führen, wenn die Einräumung dieser Nutzungsmöglichkeit aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers dem Speisenanbieter zuzurechnen ist. Für die Annahme einer sonstigen Leistung genügt dabei die Ausgabe von Speisen auf einem Tablett, wenn es typischerweise dazu dient, es dem Kunden zu ermöglichen, die von ihm erworbenen Speisen zu einem Verzehrort in der Nähe (hier dem Food-Court) zu bringen und diese dort an einem Tisch mit Sitzmöglichkeit zu verzehren.
Normenkette
§ 3 Abs. 1 und 9 UStG, Art. 14, Art. 24 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL), Art. 6 MwStVO
Sachverhalt
Die Klägerin unterhält eine Kette sog. Fast-Food-Restaurants im Bereich der Systemgastronomie. Sie mietete im März 2011 gewerbliche Flächen in einem Einkaufszentrum an. Bei der Mietsache handelte es sich um eine Ladenfläche mit ca. 114 qm und um eine Nebenfläche mit ca. 20 qm. Ein von der Vermieterin möblierter Sitz- und Verzehrbereich gehörte nicht zum Mietgegenstand. Die vereinbarte Monatsmiete betrug ... EUR. Die Klägerin nahm im September 2011 den Betrieb auf.
Die Fast-Food-Filiale verfügte über keinen eigenen Sitz- und Verzehrbereich und auch nicht über Sanitäreinrichtungen. Die Ladenfläche enthielt eine sog. Fast-Food-Ausgabestelle, in der die Klägerin Speisen zubereitete und über eine Verkaufstheke an Kunden gegen Entgelt abgab. Eine Kundenstehfläche, die zur mietvertraglichen Ladenfläche gehörte und die eine Freifläche vor der Verkaufstheke mit einer Tiefe von einem Meter umfasste, war für die Entgegennahme der Speisen durch die Kunden bestimmt. Die Kundenstehfläche verfügte weder über Verzehrvorrichtungen noch über ähnliches Mobiliar.
Nach den Vereinbarungen zum Mietvertrag verfügte das Einkaufszentrum über Anlagen und Einrichtungen, die von den Kunden des Zentrums und Mietern, wie der Klägerin, gemeinschaftlich genutzt werden konnten. Hierzu gehörte neben technischen Anlagen insbesondere ein möblierter Sitz- und Verzehrbereich als sog. Food-Court sowie dazugehörige Toiletten. Der gemeinsame Sitz- und Verzehrbereich stand vertragsgemäß allen Kunden des Zentrums zur Mitbenutzung zur Verfügung. Ein Recht auf eine eigene besondere Nutzung einzelner Flächen des Food-Courts hatte die Klägerin nicht. Die Vermieterin übernahm keine Gewähr dafür, dass Sitzplätze für Besucher stets in ausreichender Anzahl zur Verfügung standen. Der eigentliche Sitzbereich war räumlich durch eine Erhebung, Balustrade/Geländer und Stufen vom Ausgabebereich der Klägerin abgetrennt. Die Aufwendungen für den gemeinsamen Sitz– und Verzehrbereich (Personal-, Strom-, Wasser-, Material-, Abfallentsorgungskosten und Spülküche) wurden nach Ziff. ... der zusätzlichen Vereinbarung zum Mietvertrag "von den beteiligten Mietern gleichmäßig im Verhältnis ihrer Ladenflächen zur Gesamtladenfläche der an diese Anlagen und Einrichtungen angeschlossenen Mieter bzw. deren Nutzer getragen". Die von diesen Mietern vereinnahmte Nebenkostenpauschale wurde zur Verminderung der insgesamt anfallenden Nebenkosten verwendet.
Die Klägerin bot in ihrer Filiale Speisen an, die sie in der ganz überwiegenden Anzahl der Fälle nicht auf Einzelbestellung eines Kunden, sondern kontinuierlich und entsprechend der allgemeinen Nachfrage zubereitete. Die Speisen wurden über eine Verkaufstheke ausschließlich mittels Einwegverpackungen an die Kunden abgegeben. Ein Kellner-Service oder eine gastronomische Bedienung waren nicht vorhanden. Das FA ging von dem Regelsteuersatz unterliegenden sonstigen Leistungen aus. Das FG bestätigte dies (FG Düsseldorf, Urteil vom 4.9.2019, 5 K 404/14 U, Haufe-Index 14441132, EFG 2021, 1062).
Entscheidung
Der BFH hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und wies die Sache an das FG zurück. Das FG habe das Erfordernis einer Beurteilung nach den für einen Durchschnittsverbraucher erkennbaren Umständen nicht hinreichend berücksichtigt. Dies sei in einem zweiten Rechtsgang nachzuholen.
Hinweis
1. Bei der Entscheidung, ob die Abgabe von Speisen im Rahmen einer Lieferung oder einer sonstigen Leistung erfolgt, kommt es darauf an, die Speisenabgabe von prägenden Dienstleistungselementen überlagert wird.
2. Für die Speisenabgabe durch Restaurationsbetriebe, die keinen eigenen Verzehrbereich unterhalten, deren Kunden aber den Food-Court eines Einkaufszentrums nutzen können, kann dies zu bejahen sein. Entscheidend ist hierfür, ob dem Restaurationsbetrieb die Nutzung des Food-Courts zuzurechnen ist.
3. Dem steht das Fehlen einer gastronomischen Bedienung durch Personal wie etwa durch Kellner ebenso wenig entgegen wie dass die Nutzer die von ihnen erworbenen Speisen selbst von der Abgabestelle dorthin tragen müssen. Der BFH vergleicht dies mit der ebenfalls zu einer sonstigen Leistung führenden Bewirtungssituation in einer Kantine. Ebenso als unerheblich sieht der BFH die Möglichkeit an, den Food-Court zwischen den dort speisenden Perso...