Leitsatz
Eine dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistung und keine Lieferung von Speisen liegt vor, wenn im Rahmen einer Gesamtbetrachtung das Dienstleistungselement im Sinn einer Bewirtungssituation überwiegt. Dies ist bei der Abgabe von warmem Mittagessen an Schüler insbesondere dann der Fall, wenn der Unternehmer nach dem Essen die Tische und das Geschirr abräumt und reinigt.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1, § 3 Abs. 9 Satz 1, § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG, Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Die Klägerin betrieb einen Menü-Service und versorgte u.a. Kinder von Schulen mit Mittagessen. Die Schüler konnten anhand eines im Voraus ausgegebenen Wochenplans mit Hilfe einer Chipkarte – die auch Basis für die Abrechnung war – aus verschiedenen Gerichten ein Gericht auswählen. Die heiß in Thermobehälter transportierten Mittagessen wurden in den Schulen von Mitarbeitern der Klägerin portioniert und auf schulträgereigenem Geschirr sowie mit schulträgereigenem Besteck an die einzelnen Schüler ausgegeben und in Räumen der Schulen verzehrt. Nach dem Essen ließ die Klägerin das Geschirr, das Besteck und die benutzten Tische durch ihr Personal reinigen. Schriftliche Vereinbarungen mit den jeweiligen Schulträgern im Zusammenhang mit der Organisation der Schulspeisung bestanden nicht.
Entscheidung
Nach der Sachverhaltswürdigung des FG überwog das Dienstleistungselement. Das FG hatte in diesem Zusammenhang im Rahmen der – vom EuGH geforderten – Gesamtbetrachtung rechtsfehlerfrei ausgeführt, dass die Klägerin nicht nur die Speisen i.S.v. körperlicher Gegenstände lieferte, sondern wesentlicher Bestandteil ihrer Tätigkeit die Bereitstellung einer warmen Mahlzeit war.
Aus den vom FG dargestellten, in ein organisatorisches Umfeld eingebetteten verschiedenen Tätigkeiten ergibt sich eine typische Bewirtungssituation, bei der sich der Bewirtete um das Umfeld zur Einnahme von Mahlzeiten sowie das Abräumen und Reinigen von Tischen und Geschirr nicht zu kümmern braucht, weil dies die Klägerin übernommen hatte.
Dass weder die Räume, in denen das Essen von den Schülern eingenommen wurde, im Eigentum der Klägerin standen noch die Tische und das Geschirr, war für die Beurteilung als Bewirtungssituation unerheblich, weil die Räume, die Tische und das Geschirr jedenfalls von den Schulen für die Essensabgabe durch die Klägerin bereitgestellt wurden. Verzehrvorrichtungen, die einem Dritten gehören, sind in die Würdigung einzubeziehen, wenn sie zumindest auch im Interesse des leistenden Unternehmers zur Verfügung gestellt werden. Auch dieses Dienstleistungselement ist aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers der Leistung der Klägerin zuzurechnen und bei der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen.
Der BFH bestätigte das FG, das die Bewirtungstätigkeit insgesamt als Dienstleistung und nicht als bloße Lieferung der Speisen beurteilt hatte. Dies gelte auch dann, wenn man die mit der Vermarktung der Speisen notwendig verbundenen Dienstleistungselemente wie die Zubereitung, den Transport und ggf. auch das Portionieren außer Betracht lasse.
Hinweis
Mit zwei Entscheidungen hat sich der BFH mit der Abgrenzung Lieferung von Speisen und Getränken oder Restaurationsumsatz (sonstige Leistung) befasst. Die Grundsätze sind zum Besprechungsfall V R 55/04 – in diesem Heft, Seite 501 – erläutert. Weil die Lebenssachverhalte so vielschichtig sind und die Erhöhung der Steuersätze dramatischere Auswirkung hat, ist Vorsicht geboten, denn Fehlbeurteilungen lassen sich im Nachhinein für den Unternehmer i.d.R. nicht mehr auf den Abnehmer abwälzen. Bei der Beratung sollten Sie deshalb auf die Grundsätze hinweisen.
Es kommt letztlich nicht auf ein quantitatives Überwiegen der Dienstleistungselemente der Bewirtung gegenüber den Elementen der Speisenherstellung und -lieferung an, sondern darauf, ob bei der gebotenen Gesamtwürdigung das Dienstleistungselement der Bewirtung qualitativ überwiegt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 10.8.2006, V R 38/05