Leitsatz
1. Die Ausübung öffentlicher Gewalt durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts umfasst Tätigkeiten, die dieser eigentümlich und vorbehalten sind. Kennzeichnend dafür ist die Erfüllung spezifisch öffentlich-rechtlicher Aufgaben, die aus der Staatsgewalt abgeleitet sind; die Mitwirkung mit hoheitlichen Aufgaben betrauter (beliehener) Unternehmer steht dem nicht entgegen.
2. Die Auslegung einschlägiger landesrechtlicher Vorschriften obliegt dem FG.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG , § 4 Abs. 1 KStG , § 4 Abs. 5 Satz 1 KStG
Sachverhalt
Klägerin war eine Stadt. Als solche verfügt sie über ein Vermessungs- und Katasteramt (§ 21 Abs. 1 VermKatG NW, GVBl NW 1990, 360). Gesetzliche Aufgabe von Vermessungs- und Katasterämtern ist neben der Führung und Neueinrichtung von Liegenschaftskatastern u.a. die Durchführung von Teilungsvermessungen, Grenzfeststellungen und Gebäudeeinmessungen.
Aus diesen Tätigkeiten erzielte die Klägerin (gerundet) im Jahr 1993 76.000 DM, 1994 259.000 DM, 1995 133.000 DM, 1996 295.000 DM, 1997 206.000 DM und im Jahr 1998 92.000 DM. Diese Einnahmen entfielen zu mehr als 70 % auf Gebäudeeinmessungen, zu 25 % auf Teilungsvermessungen und zu weniger als 5 % auf Grenzfeststellungen. Entgelte aus ingenieurtechnischen Vermessungsleistungen gegenüber privaten Dritten, die nicht zu den gesetzlich übertragenen Aufgaben des Kataster- und Vermessungsamts gehören (Absteckungen, baubegleitende Vermessungen sowie die Anfertigung nichtamtlicher Lagepläne), wurden in den Streitjahren nicht erzielt.
Das FA hat das Vermessungs- und Katasteramt der Klägerin als Betrieb gewerblicher Art der Körperschaftsteuer unterworfen. Bei dessen Tätigkeiten handele es sich um solche, die in gleicher Weise von öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren ausgeführt würden, daher sei die Klägerin zu privaten Unternehmern in Konkurrenz getreten.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt (EFG) 2003, 1333).
Entscheidung
Der BFH bestätigte das FG. Nach dessen Auslegung der landesrechtlichen Vorschriften handele es sich bei der in Rede stehenden Tätigkeit der Klägerin um hoheitliches Tun und damit nicht um einen Betrieb gewerblicher Art. Dass im Rahmen der entwickelten Aktivitäten auch sog. beliehene Unternehmer tätig würden, stehe dem nicht entgegen.
Hinweis
1. Die Frage danach, wann und unter welchen Umständen vom Vorliegen eines Betriebs gewerblicher Art einer öffentlich-rechtlichen Trägerkörperschaft auszugehen ist, beschäftigt die Gerichte immer wieder. Die Probleme dieser Frage wurzeln darin, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts immer nur mit ihren Betrieben gewerblicher Art körperschaftsteuerpflichtig sind (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG), ansonsten jedoch nicht. Von daher definiert § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG den Betrieb gewerblicher Art und verlangt, eine Einrichtung, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen außerhalb der Land- und Forstwirtschaft dient und die sich innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person wirtschaftlich heraushebt. Auf die Absicht, Gewinn zu erzielen, kommt es nicht an, § 4 Abs. 1 Satz 2 KStG.
2. So gesehen ist der Betrieb gewerblicher Art von den "eigentlichen", den hoheitlichen Aktivitäten der juristischen Person des öffentlichen Rechts abzugrenzen, worunter die Rechtsprechung herkömmlicherweise alle diejenigen Tätigkeiten versteht, die der juristischen Person "eigentümlich und vorbehalten" sind. Kennzeichnend dafür soll die Erfüllung spezifisch öffentlich-rechtlicher Aufgaben sein, die aus der Staatsgewalt abgeleitet sind, staatlichen Zwecken dienen und zu deren Annahme der Leistungsempfänger aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung verpflichtet ist.
Eine Ausübung öffentlicher Gewalt ist allerdings insoweit ausgeschlossen, als sich die Körperschaft durch ihre Einrichtungen in den allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr einschaltet und eine Tätigkeit entfaltet, die sich ihrem Inhalt nach von der Tätigkeit eines privaten gewerblichen Unternehmens nicht wesentlich unterscheidet. Dann bewegt sich auch die juristische Person des öffentlichen Rechts in Bereichen der privatunternehmerischen Berufs- und Gewerbeausübung, in denen private Unternehmer durch den Wettbewerb mit (grundsätzlich nicht steuerpflichtigen) Körperschaften des öffentlichen Rechts ihrerseits nicht benachteiligt werden dürfen.
Die Rechtsprechung zu § 4 Abs. 1 KStG geht im Ergebnis also zweistufig vor: Zunächst wird – auf einer ersten Prüfungsstufe – positiv bestimmt durch den sog. Eigentümlichkeits- sowie Hoheitsvorbehalt und sodann – in einem zweiten Prüfungsschritt – negativ (und einschränkend) abgegrenzt durch einen Wettbewerbsvorbehalt.
3. Diese Grundsätze legt der BFH im Urteilsfall nach wie vor zugrunde. Er hat die Tätigkeit eines Liegenschafts- und Katasteramts hiernach als hoheitlich eingestuft, wobei ihm allerdings die entsprechende Deutung und Gesetzesauslegung durch das FG die "Vorlage" lieferte. Denn dieses hatte im Urteilsfall das einschlägige Landesrech...