Leitsatz
Die Steuersatzermäßigung für die Leistungen aus der Tätigkeit als Zahntechniker gem. § 12 Abs. 2 Nr. 6 UStG umfasst sonstige Leistungen (§ 3 Abs. 9 UStG) und die Lieferung (§ 3 Abs. 1 UStG) von Zahnersatz, nicht indes die Lieferung anderer Gegenstände (z.B. Beatmungsmasken).
Normenkette
§ 12 Abs. 2 Nr. 6 UStG 1999/2005, Art. 28 Abs. 3 Buchst. a i.V.m. Anlage E Nr. 2 i.V.m. Art. 13 Teil A Buchst. e 6. EG-RL
Sachverhalt
Der Kläger ist Zahntechnikermeister. Für Schwerstkranke, die bei der Benutzung von Beatmungsgeräten die vom Hersteller mitgelieferten Standardmasken nicht verwenden können, stellte er auf ärztliche Verordnung individuell angefertigte Beatmungsmasken her. Hierfür nahm er unter ärztlicher Aufsicht Gipsabdrücke und verwendete Silikonmasse aus der Zahntechnik. Für seine Lieferungen nahm er den ermäßigten Steuersatz in Anspruch. Das FA ging demgegenüber von der Anwendung des Regelsteuersatzes aus. Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das FG (Niedersächsisches FG, Urteil vom 22.3.2012, 5 K 22/11, Haufe-Index 3019277, EFG 2012, 1404) statt.
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil des FG auf und verwies die Sache an das FG zurück. Auf Lieferungen sei § 12 Abs. 2 Nr. 6 UStG nicht anzuwenden. Im zweiten Rechtsgang sei daher zu klären, ob sich die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes aus § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 52 Buchst. d der Anlage 2 zum UStG ergeben könne.
Hinweis
1. Nach nationalem Recht sind Leistungen aus der Tätigkeit als Zahntechniker steuerpflichtig und unterliegen dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 6 UStG.
2. Demgegenüber ordnet das Unionsrecht eine Steuerfreiheit für Dienstleistungen, die Zahntechniker im Rahmen ihrer Berufsausübung erbringen, und für die Lieferung von Zahnersatz von Zahntechnikern an (Art. 132 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL und Art. 13 Teil A Buchst. e der 6. EG-RL).
3.Sieht man Leistungen als Oberbegriff für Lieferungen und sonstige Leistungen (Dienstleistungen) an, stellt sich für beide Leistungsarten die Frage, ob das nationale Recht dem Unionsrecht entspricht.
a) |
Sonstige Leistungen und damit Dienstleistungen der Zahntechniker müssten steuerfrei, nicht aber nach Maßgabe des ermäßigten Steuersatzes steuerpflichtig sein. Insoweit ist allerdings auch eine Übergangsregelung des Unionsrechts (Art. 370 MwStSystRL i.V.m. Anhang X Teil A Nr. 1 und Art. 28 Abs. 3 Buchst. a i.V.m. Anlage E Nr. 2) zu berücksichtigen. Danach können die Mitgliedstaaten, die von Zahntechnikern erbrachten Dienstleistungen (sonstigen Leistungen) weiterhin besteuern. Dies umfasst als Annäherung an die eigentliche Steuerfreiheit auch die Befugnis, anstelle des Regelsteuersatzes einen ermäßigten Steuersatz anzuwenden. |
Der ermäßigte Steuersatz für die sonstigen Leistungen (Dienstleistungen) aus der Tätigkeit der Zahntechniker gem. § 12 Abs. 2 Nr. 6 UStG erweist sich somit als richtlinienkonform.
b) |
Für die durch Zahntechniker ausgeführten Lieferungen enthält das Unionsrecht aufgrund der Übergangsregelung nur eine Ermächtigung für die (ermässigte) Besteuerung bei der Lieferung von Zahnersatz. Andere Lieferungen sind weder steuerfrei noch können sie aufgrund einer Übergangsregelung dem ermäßigten Steuersatz unterworfen werden. Eine Befugnis zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ergibt sich auch aus nicht anderen Regelungen des Unionsrechts (Art. 98 MwStSystRL i.V.m. Anhang III und Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der 6. EG-RL i.V.m. Anhang H). Danach können nur zahnärztliche Leistungen, nicht aber auch Leistungen der Zahntechniker ermäßigt besteuert werden (Anhang III Nr. 17 und Anhang H Nr. 16). |
Der ermäßigte Steuersatz für alle Lieferungen der Zahntechniker gem. § 12 Abs. 2 Nr. 6 UStG ist somit richtlinienwidrig.
4. Steht das nationale Recht mit den Vorgaben des Unionsrechts nicht im Einklang, ist es eng auszulegen. Dies führt dazu, dass der BFH die Steuersatzermäßigung für die in § 12 Abs. 2 Nr. 6 UStG genannten Leistungen einschränkend dahingehend auslegt, dass es sich um sonstige Leistungen (Dienstleistungen) oder um die Lieferung von Zahnersatz handeln muss.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 24.10.2013, V R 14/12BFH, Urteil vom 24.10.2013 – V R 14/12