Die Festlegung der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer kann praktisch nur im Wege einer Schätzung erfolgen. Im Verlauf der Nutzung eines Wirtschaftsguts kann sich dessen Nutzungsdauer infolge Änderung der Verhältnisse, die der bisherigen Schätzung zugrunde lagen, verändern. Wird im Laufe der Abschreibung erkannt, dass die zunächst angesetzte voraussichtliche Nutzungsdauer
- aus technischen Gründen (z. B. Einsatz des Vermögensgegenstandes zunächst im Einschichtbetrieb und später im Mehrschichtbetrieb),
- aus wirtschaftlichen Gründen (z. B. verringerter betrieblicher Einsatz wegen Produktionsumstellung),
- schließlich aus rechtlichen Gründen (z. B. Änderung der Umweltbestimmungen für den Einsatz des Vermögensgegenstandes) oder auch
- irrtümlich
zu lang bemessen wurde, ist eine Planänderung zwingend.
Stellt sich also im Lauf der Zeit heraus, dass die voraussichtliche Nutzungsdauer eines Anlagegegenstands ursprünglich erheblich zu lang geschätzt wurde, ist der bisherige Abschreibungsplan für die Zukunft zu ändern, da das Vermögen zu hoch ausgewiesen wird. In diesem Fall ist für die restliche Nutzungsdauer ein neuer Abschreibungsplan zu erstellen. Aus ihm ergibt sich der Abschreibungskorrekturwert, der auf die neu bemessene restliche Nutzungsdauer verteilt wird.
In wesentlichen Fällen kann die Korrektur auch über eine außerplanmäßige Abschreibung erfolgen.
Bei einer Änderung der Nutzungsdauer ist der im Zeitpunkt des Erkennens der Änderung der Nutzungsdauer vorhandene Restwert auf die weitere Nutzungsdauer zu verteilen.
War die Nutzungsdauer unrichtig geschätzt, kommt es zunächst darauf an, ob die bisherigen Veranlagungen geändert werden können. Dies ist nur der Fall, wenn die Veranlagungen noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO stehen oder wenn dem Steuerpflichtigen (nicht dem Finanzamt) die unrichtige Schätzung der Nutzungsdauer bekannt war (dann: Änderung nach § 173 AO). Wenn eine Änderung der Veranlagungen nicht mehr möglich ist, ist der Restwert im ersten noch nicht bestandskräftigen Jahr auf die Restnutzungsdauer zu verteilen.
Unerheblicher Abschreibungsbetrag
Ist der Abschreibungsfehlbetrag nicht erheblich, genügt es, wenn der Restbuchwert – unter Anwendung der bisherigen oder einer neuen Abschreibungsmethode – ab dem ersten offenen Jahr auf die restliche kürzere Nutzungsdauer verteilt wird. Das entspricht sowohl den handels- wie auch den steuerlichen Vorschriften.
Korrektur der Nutzungsdauer und AfA-Folgen
Einzelgewerbetreibender A hat die Nutzungsdauer einer Maschine (Anschaffungskosten Anfang 01 = 120.000 EUR) auf 10 Jahre geschätzt. Er schreibt die Maschine linear ab. Bei linearer Abschreibung ergeben sich Abschreibungsbeträge von 12.000 EUR im Jahr. Am Ende des 5. Jahres – das 5. Jahr ist steuerlich das erste offene Jahr – stellt sich heraus, dass die voraussichtliche Nutzungsdauer der Maschine nur 8 Jahre, also die Restnutzungsdauer nur noch 3 Jahre (nicht wie bisher angenommen 5 Jahre) beträgt.
Wegen der Verkürzung der Nutzungsdauer auf 8 Jahre muss A für den verbleibenden Nutzungszeitraum einen neuen Abschreibungsplan auf der Basis von ursprünglich 8 Jahren aufstellen. Das führt zu Abschreibungsbeträgen von 15.000 EUR (120.000 EUR : 8) im Jahr:
- Bezogen auf 10 Jahre Nutzungsdauer ergeben sich jährlich Abschreibungsbeträge von 12.000 EUR
- Bezogen auf 8 Jahre Nutzungsdauer ergeben sich jährlich Abschreibungsbeträge von 15.000 EUR. D. h. in den ersten 5 Jahren sind nach dem ursprünglichen Abschreibungsplan 3.000 EUR zu wenig pro Jahr abgesetzt worden – insgesamt also 15.000 EUR.
Der zu wenig abgesetzte Betrag von 15.000 EUR kann handelsrechtlich im 5. Jahr nachgeholt werden. Im 5. Jahr kann also eine Abschreibung von 12.000 EUR + 15.000 EUR nachgeholte Abschreibung = 27.000 EUR angesetzt werden.
Ermittlung des Buchwerts zum 31.12.05
Nach 5 Jahren sind insgesamt 48.000 EUR (Abschreibung Jahr 01 – 04) + 27.000 EUR (Abschreibung im Jahr 05) = 75.000 EUR abgeschrieben, sodass sich der Restbuchwert zum 31.12.05 auf 120.000 EUR ./. 75.000 EUR = 45.000 EUR beläuft.
Restabschreibung
Der Rest von 45.000 EUR (sog. Abschreibungskorrekturwert) wird in den nächsten 3 Jahren mit jeweils 15.000 EUR abgesetzt. Die Maschine ist somit nach 8 Jahren voll bzw. bis auf einen Restwert von 1 EUR abgeschrieben.
Ist der Abschreibungsfehlbetrag nicht erheblich, so genügt es, auch die noch nicht abgeschriebenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten sogleich auf die restliche kürzere Nutzungsdauer zu verteilen.
Handelsrechtlicher Abschreibungsverlauf im vorstehenden Beispiel
Maschine Inventar-Nummer: 20 335 7 |
Abschreibungsmethode: linear |
Jahr |
Abschreibung pro Jahr (EUR) |
Buchwert am 31.12. (EUR) |
|
|
120.000 |
1 |
12.000 |
108.000 |
2 |
12.000 |
96.000 |
3 |
12.000 |
84.000 |
4 |
12.000 |
72.000 |
5 |
27.000 |
45.000 |
6 |
15.000 |
30.000 |
7 |
15.000 |
15.000 |
8 |
14.999 |
1 |
Summe |
119.999 |
|
Steuerrechtlicher Abschreibungsverlauf
Steuerlich kann die zu niedrige AfA der Jahre 01 – 04 von 4 x 3.000 EUR= 12.000 EUR nicht...