Rz. 72

Bei der Bewertung nach den Verhältnissen vom Absatzmarkt wird der mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der fertigen und unfertigen Erzeugnisse und der Waren zu vergleichende Wert retrograd ermittelt. Hierbei wird also vom späteren Erlös ausgegangen. Deshalb wird diese Bewertungsmethode als retrograde Bewertung bezeichnet. Sie ist nicht zu verwechseln mit der retrograden Ermittlung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten.[1]

Es wird von folgendem Schema ausgegangen:

 
Retrograde Bewertung
  voraussichtlicher Verkaufserlös
./. Erlösschmälerungen
./. Verpackungskosten und Ausgangsfrachten
./. allgemeine Vertriebskosten
./. Verwaltungskosten
./. Kapitaldienstkosten (für Lagerung bis zum Verkauf)
= am Abschlussstichtag beizulegender Wert[2]

Hierbei werden die für den Verkauf bestimmten Vorräte so bewertet, dass nach dem Abschlussstichtag kein Verlust mehr entsteht. Ein beim Verkauf voraussichtlich entstehender Verlust wird durch die Bewertung zum Abschlussstichtag in die Periode vorgezogen.

Nach der Rechtsprechung des BFH ist der Wert anzusetzen, der von dem voraussichtlich erzielbaren Veräußerungserlös nach Abzug des nach dem Bilanzstichtag noch anfallenden betrieblichen Aufwands und des durchschnittlichen Unternehmergewinns verbleibt.[3] Hiernach ist also vom voraussichtlichen Verkaufserlös zusätzlich zu den im vorstehenden Schema genannten Aufwendungen der durchschnittliche Unternehmergewinn zu kürzen. Hierbei werden die Vorräte mit dem Teilwert bewertet. Diese steuerliche Bewertung unterscheidet sich wesentlich von der handelsrechtlichen. Es ist daher bei der handelsrechtlichen Bewertung der Vorräte nicht zulässig, den durchschnittlichen Unternehmergewinn abzuziehen.[4]

[1] Vgl. Schubert/Berberich, in Beck´scher Bilanz-Kommentar., 13. Aufl. 2022, § 253 Rz. 521.
[2] Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995–2001, § 253 HGB Rz. 525.
[4] Vgl. Schubert/Berberich, in Beck´scher Bilanz-Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 253 HGB Rz. 523.

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