Leitsatz
1. Die Finanzbehörde verstößt nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn sie die Formgültigkeit einer Abtretungsanzeige wegen fehlender Angabe des Abtretungsgrunds in einem Zeitpunkt beanstandet, in dem sie bereits Kenntnis von dem Abtretungsgrund hat.
2. Die Abtretungsanzeige stellt eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung dar. Bei der Ermittlung des in ihr verkörperten Willens sind nur solche Umstände zu berücksichtigen, die für die Finanzbehörde als Empfänger im Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung erkennbar gewesen sind.
3. Die mangelnde Angabe des Abtretungsgrunds kann nicht nachgeholt werden, wenn dessen Bezeichnung gänzlich fehlte.
Normenkette
§ 46 AO 1977 , § 133 BGB , § 242 BGB
Sachverhalt
Dem FA war 1997 eine Abtretungsanzeige betreffend Einkommensteuererstattungsansprüche übergeben worden, bei der in dem Abschnitt "Grund der Abtretung" das Kästchen "Sicherungsabtretung" geschwärzt und das für die Angabe eines Abtretungsgrunds vorgesehene Feld nicht ausgefüllt war. Weitere Abtretungsanzeigen zugunsten anderer Zessionare folgten, eine enthielt eine Eintragung zum Abtretungsgrund. Nach Erlass eines Einkommensteuerbescheids, aus dem sich ein Steuererstattungsanspruch ergab, verrechnete das FA das Guthaben mit Steuerschulden der Zedenten. Die Auszahlung des Erstattungsbetrags an den ersten Zessionar verweigerte das FA, wofür es zunächst unterschiedliche, nicht durchgreifende Gründe anführte, bis es sich schließlich darauf berief, die Abtretungsanzeige sei deshalb nicht wirksam, weil es an der Angabe eines Abtretungsgrunds fehle. Zu diesem Zeitpunkt waren dem FA allerdings alle für die materiell-rechtliche Beurteilung der Abtretung relevanten Umstände anderweit bekannt geworden, insbesondere dass kein geschäftsmäßiger Erwerb von Forderungen vorlag.
Gegen den hierüber ergangenen Abrechnungsbescheid erhob der erste Zessionar Klage.
Entscheidung
Der Abrechnungsbescheid ist rechtmäßig. Eine Abtretungsanzeige ist nur wirksam, wenn sie eine zumindest schlagwortartige Bezeichnung des Abtretungsgrunds enthält. Es muss für das FA nachprüfbar sein, ob ein Fall des (unwirksamen) geschäftsmäßigen Erwerbs i.S.d. § 46 Abs. 4 Satz 1 AO vorliegt. Allerdings können in diesem Zusammenhang im Rahmen der Auslegung der Anzeige Umstände berücksichtigt werden, die für das FA im Zeitpunkt des Zugangs erkennbar sind, nicht jedoch auch erst nachträglich erkennbar werdende.
Es liegt kein treuwidriges Verhalten des FA vor. Denn ein solches kann nicht daraus hergeleitet werden, dass das FA zunächst angenommen hatte, es handle sich um eine Sicherungsabtretung und dass es (in Verkennung der dann gegebenen Rechtslage!) Angaben zum Sicherungsgrund verlangt hatte und dass es sich auf die Mängel der Angaben zu dem Abtretungsgrund erst berufen hat, als es bereits erkannt hatte, dass kein geschäftsmäßiger Erwerb von Steuerforderungen vorliegt.
Eine Pflicht, die Sach- und Rechtslage frühzeitig abschließend zu prüfen und durch einen dem Betroffenen erteilten rechtlichen Hinweis Nachteile von diesem abzuwenden, die sich für ihn aus der Formfehlerhaftigkeit der Abtretungsanzeige ergeben, trifft das FA nicht. Schon im Hinblick auf konkurrierende Zessionare (Rang der Abtretung!) könnte der Unwirksamkeit der Abtretung nicht ein angebliches Fehlverhalten des FA entgegengehalten werden.
Hinweis
Abtretungsanzeigen, die nicht in allen Einzelheiten der amtlich vorgeschriebenen Form entsprechen oder bei denen der amtliche Vordruck unvollständig oder fehlerhaft ausgefüllt worden ist, machen die Abtretung nicht von vornherein unwirksam. Sie sind insbesondere der Auslegung unter Berücksichtigung außerhalb der Urkunde liegender Umstände zugänglich. Zedent und Zessionar sowie die Art des abgetretenen Anspruchs müssen allerdings aus der Abtretungsanzeige selbst eindeutig erkennbar sein. Die Angaben zu dem Abtretungsgrund müssen nur "schlagwortartig" denselben erkennen lassen, also eine kurze stichwortartige Kennzeichnung des der Abtretung zugrunde liegenden schuldrechtlichen Lebenssachverhalts bieten (BFH, Urteil vom 13.11.2001, VII R 107/00, BFH-PR 2002, 191).
Was das genau bedeutet, ist nach wie vor nicht ganz geklärt und rechtsgrundsätzlich kaum abschließend zu fassen. Denken Sie immer an den Zweck der Angabe des Abtretungsgrunds: Sie soll dem FA Anhaltspunkte vermitteln, die ggf. Rückschlüsse auf die (grundsätzlich unzulässige) Geschäftsmäßigkeit der Abtretung ermöglichen und dann Anlass zu weiteren Ermittlungen sein müssten, ob Geschäftsmäßigkeit anzunehmen und die Abtretung folglich unwirksam ist.
Offen gelassen hat der BFH, ob auch eine gänzlich fehlende Angabe zum Abtretungsgrund dann § 46 Abs. 3 AO genügt, wenn sich aus den Umständen des Falls kein Hinweis auf einen unzulässigen geschäftsmäßigen Erwerb ergibt. Dass dies der Fall ist, sollten Sie jedenfalls nicht unterstellen, auch wenn die gesetzliche Regelung über die Notwendigkeit einer Angabe des Abtretungsgrunds kaum sehr gelungen und zielführend sein dürfte.
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