Leitsatz
1. Nachzahlungszinsen gem. § 233a AO 1977 waren nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG a.F. auch ohne Zins- oder Steuerfestsetzung im Jahr der Zahlung dem Grunde nach als Sonderausgaben absetzbar.
2. Die Höhe des Sonderausgabenabzugs richtet sich nach der Höhe der endgültig festgesetzten Nachzahlungszinsen.
Normenkette
§ 233a AO , § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG a.F.
Sachverhalt
Die Klägerin war an zwei KGs beteiligt, bei denen in den Jahren 1997 und 1998 eine Außenprüfung stattfand. Als im November 1998 die Prüfungsberichte im Entwurf vorlagen, ermittelte die Klägerin die auf die voraussichtlichen Steuernachforderungen entfallenden Nachzahlungszinsen mit 8 630,37 DM und überwies am 30.12.1998 an das FA einen Betrag von 9 000 DM. Als Verwendungszweck gab sie "Nachzahlungszinsen lt. Bp" an. Das FA verbuchte hingegen den Betrag auf die sich aufgrund der Prüfung ergebenden Mehrsteuern. Nachzahlungszinsen setzte es erst in den Jahren 1999 und 2000 fest.
Bei der Einkommensteuerveranlagung 1998 machten die Kläger Nachzahlungszinsen von 9 000 DM als Sonderausgaben geltend. Das FA lehnte dies mit der Begründung ab, dass die Zinsen ohne wirtschaftlich vernünftigen Grund und letztlich nur im Hinblick auf die geplante Aufhebung des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG gezahlt worden seien.
Das FG wies die Klage ab. Bei dem freiwillig gezahlten Geldbetrag handle es sich begrifflich nicht um Zinsen. Ein Sonderausgabenabzug sei nur möglich, wenn Zinsen vorher festgesetzt worden und damit entstanden seien. Eine andere Auffassung würde ungerechtfertigte Manipulationsmöglichkeiten eröffnen.
Entscheidung
Der BFH sah das anders; er hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.
Der Abzug der gezahlten, aber noch nicht festgesetzten Nachzahlungszinsen als Sonderausgaben sei möglich, weil die Zahlung dem Grunde nach nicht willkürlich erfolgt sei. Der Höhe nach sei der Abzug aber von der endgültigen wirtschaftlichen Belastung – also der tatsächlichen Festsetzung der Nachzahlungszinsen – abhängig. Diese müsse das FG feststellen.
Hinweis
1. Während der Veranlagungszeiträume 1990 bis 1998 waren gem. § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG a.F. Zinsen auf Steuerforderungen – u.a. Nachzahlungszinsen im Sinn von § 233a AO – als Sonderausgaben abziehbar. Nachdem § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG durch das StEntlG 1999 mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 1999 ersatzlos gestrichen wurde, können im Jahr 1999 und später gezahlte Nachzahlungszinsen nicht mehr abgezogen werden.
2. Da der zukünftige Wegfall des Sonderausgabenabzugs von Nachzahlungszinsen bekannt war, standen Steuerpflichtige, die – wie die Kläger – am Ende des Jahres 1998 einen Betriebsprüfungsbericht vorliegen hatten, aus dem sich die Verpflichtung zur Steuernachzahlung ergab, vor folgender Schwierigkeit: Sie wussten einerseits, dass sie Nachzahlungszinsen würden zahlen müssen und dass diese nur noch bei einer Zahlung im Jahr 1998 abziehbar waren – sie mussten andererseits davon ausgehen, dass das FA erst im Jahr 1999 die Steuerbescheide erlassen und die Nachzahlungszinsen festsetzen würde. Die Kläger haben daraufhin die voraussichtlich anfallenden Zinsen noch 1998 an das FA überwiesen.
3. Nach dem in § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG geregelten Abflussprinzip sind Sonderausgaben in dem Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind. Ausnahmen vom Abflussprinzip bedürfen einer gesetzlichen Regelung. Deshalb hat der BFH stets Vorauszahlungen auf künftig entstehende Ansprüche bzw. festzusetzende Steuern im Jahr der tatsächlichen Zahlung zum Abzug zugelassen. Ausgeschlossen ist der Abzug lediglich bei willkürlichen Zahlungen, die ohne vernünftigen Grund geleistet werden.
3. Da es für den Zufluss von Nachzahlungszinsen keine gesetzliche Ausnahmeregel gibt, sind die zu Vorauszahlungen ergangenen Rechtsgrundsätze anwendbar. Auf den Zeitpunkt der Steuerfestsetzung kommt es nicht an. Soweit im Streitfall die Steuernachforderungen im Zeitpunkt der Zahlung bereits materiell entstanden waren, war die Zahlung der Nachzahlungszinsen auch nicht willkürlich.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 7.11.2001, XI R 24/01