Leitsatz
Eine nationale Steuerregelung, wonach eine Gesellschaft, die ihren Sitz in einem Mitgliedstaat hat, bei der Ermittlung ihres Gewinns nicht die Verluste aus einer Betriebsstätte in einem Drittstaat abziehen kann, berührt vorwiegend die Ausübung der Niederlassungsfreiheit im Sinn der Art. 43 bis 48 EG. Diese Bestimmungen können bei einem Sachverhalt, der eine Betriebsstätte in einem Drittstaat betrifft, nicht geltend gemacht werden.
Normenkette
Art. 56 bis 58 EG
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, war im Streitjahr 1999 an zwei Personengesellschaften US-amerikanischen Rechts beteiligt und erwirtschaftete hieraus einen Verlust, den sie nach Maßgabe von § 2a Abs. 3 Satz 1 EStG 1997 i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte abzog.
Das FA lehnte den Verlustabzug ab. Zur Begründung verwies es auf die Freistellung der Betriebsstätteneinkünfte gem. Art. 7 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 2 Buchst. a Satz 1 DBA-USA 1989 sowie auf die Abschaffung von § 2a Abs. 3 EStG 1997 durch das StEntlG 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) mit erstmaliger Wirkung vom VZ 1999 an (vgl. § 52 Abs. 3 Satz 2 EStG 1997 i.d.F. des StBereinG 1999 vom 22.12.1999, BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13).
Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos (EFG 2005, 538).
Der BFH setzte das Revisionsverfahren aus und entschied, gem. Art. 234 Abs. 3 EG den EuGH anzurufen.
Entscheidung
Letzterer machte kurzen Prozess und befand im Beschlussverfahren, dass kein Verstoß gegen die hier allein in Betracht kommende Kapitalverkehrsfreiheit vorliege. "Sedes materiae" des Streits sei die Niederlassungsfreiheit – und die strahle auf Drittstaaten nicht aus.
Hinweis
Zugrunde liegt das Vorabentscheidungsersuchen des BFH vom 22.08.2006, I R 116/04, das Ihnen in BFH-PR 2006, 510 vorgestellt worden ist:
Es entspricht seit geraumer Zeit der Spruchpraxis des EuGH, das Rangverhältnis zwischen der Niederlassungs- und der Kapitalverkehrsfreiheit in der Weise zu justieren, dass die erstere Freiheit, die Niederlassungsfreiheit, vorgeht und die andere, die Kapitalverkehrsfreiheit, dahinter zurücktritt.
Just daran wird im Beschlussfall vom EuGH angeknüpft:
Weil das Unterhalten einer Betriebsstätte im Ausland Gegenstand der Niederlassungsfreiheit ist, kommt es auf die Kapitalverkehrsfreiheit als subsidiäres Schutzrecht nicht mehr an, und zwar ersichtlich unabhängig davon, ob es sich um eine "originäre" Auslandsbetriebsstätte handelt oder aber um eine solche, welche dem Gesellschafter "durch" eine (transparente) Personengesellschaft vermittelt wird, und letzteres ebenso ersichtlich auch unabhängig davon, ob der Gesellschafter die Personengesellschafter die Personengesellschaft "beherrscht" (s. aber auch nachfolgend S. 80 unter 5.). Und folglich ist es bezogen auf Drittstaaten auch unbeachtlich, ob die Niederlassungsfreiheit den Abzug im Ausland erwirtschafteter Verluste im inländischen Stammhaus gebietet. Denn die Niederlassungsfreiheit beschränkt ihre Wirkkraft auf die Mitgliedstaaten der EU; Drittstaaten sind hiervon ausgenommen, und dass die Kapitalverkehrsfreiheit demgegenüber ihrem Grundsatz nach weiter reicht, wirkt sich eben nicht mehr aus.
Fazit: Einen Verlustabzug aus Drittstaaten gibt es nicht. Die Antwort darauf, ob die vom BFH vertretene sog. Symmetriethese, wonach nach DBA freigestellte Einkünfte auch Verluste umfasst, EG-rechtlich tragfähig ist, steht noch aus. Sie wird vom EuGH wohl im Verfahren Rs. C-414/06 "Lidl" erfolgen (s. das weitere Vorabentscheidungsersuchen des BFH vom 28.06.2007, I R 84/04, BFH-PR 2006, 508).
Link zur Entscheidung
EuGH, Beschluss vom 06.11.2007, Rs. C-415/06 – Stahlwerk Ergste-Westig –