Leitsatz
Kindergeld kann an das Kind abgezweigt werden, wenn der Kindergeldberechtigte mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist oder nur Unterhalt in Höhe eines Betrags zu leisten braucht, der geringer ist, als das für die Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld.
Sachverhalt
Die im Jahr 1986 geborene, und im Haushalt ihrer Eltern wohnende Klägerin ist Tochter des Beigeladenen. Die Klägerin beantragte die Abzweigung des Kindergeldes für die Monate Februar bis Mai 2005 an sie, da es den Eltern wegen fehlender Leistungsfähigkeit (ALG II Empfänger) nicht möglich sei Unterhalt an sie zu leisten. Die Familienkasse lehnte die Abzweigung des Kindergeldes ab, da die Klägerin im Haushalt eines Kindergeldberechtigten lebe, und ihm dadurch immaterieller Unterhalt gewährt werde.
Entscheidung
Gem. § 74 Abs. 1 EStG kann das für ein Kind festgesetzte Kindergeld nach § 66 Abs. 1 EStG an das Kind ausgezahlt werden, wenn der Kindergeldberechtigte ihm gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt. Der Einwand der Familienkasse, der Beigeladene erfülle seine Unterhaltspflicht durch Aufnahme des Kindes in seinen Haushalt und durch Beköstigung, greift nicht durch. Denn § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB bestimmt, dass der Elternteil, der ein minderjähriges unverheiratetes Kind betreut, seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und die Erziehung des Kindes erfüllt. Da die Klägerin jedoch nicht mehr minderjährig, sondern volljährig ist, greift dieser Privilegierungstatbestand des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB hier nicht mehr ein. Nach dem Wortlaut des § 74 Abs. 1 Satz 3 EStG kommt es nicht darauf an, ob und in welchem Umfang teilweise Naturalunterhalt geleistet wird. Vielmehr kann das Kindergeld an das Kind ausgezahlt werden, wenn der Kindergeldberechtigte mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist. Dabei spielt es bei einem volljährigen Kind keine Rolle, dass die Eltern einen Teil ihrer Unterhaltspflicht durch Aufnahme in den elterlichen Haushalt nachkommen.
Hinweis
Die wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage zugelassene Revision wurde eingelegt und wird beim BFH unter dem Az. III R 94/08 geführt. In diesem Verfahren hat der BFH die Frage zu klären, ob sowohl bei der direkten als auch bei der analogen Anwendung des § 74 Abs.1 Satz 3 EStG als zusätzliches Tatbestandsmerkmal zu fordern ist, dass der mangels Leistungsfähigkeit nicht Unterhaltsverpflichtete auch tatsächlich keinen Unterhalt leistet, und wie hoch tatsächlich geleisteter Unterhalt im Falle einer Haushaltsaufnahme ist.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 12.09.2008, 6 K 1160/05 Kg