Leitsatz
1. Der BFH wird nicht deshalb zum Gericht der Hauptsache i.S.d. § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO, weil bei ihm eine Nichtzulassungsbeschwerde in einem Parallelverfahren desselben Steuerpflichtigen anhängig ist, in dem die gleichen materiell-rechtlichen Fragen umstritten sind, die sich auch hinsichtlich der Bescheide stellen, deren AdV im Einspruchsverfahren begehrt wird.
2. Eine Verweisung des Rechtsstreits an das FG kommt jedenfalls dann in Betracht, wenn für den zu Unrecht beim BFH angebrachten Antrag auf AdV die besonderen Zugangsvoraussetzungen des § 69 Abs. 4 FGO (hier: vorangegangene Ablehnung der AdV durch die Behörde) im Zeitpunkt der Antragstellung erfüllt sind.
3. Den Beteiligten kann das nach § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG erforderliche rechtliche Gehör im Eilverfahren auch telefonisch gewährt werden.
Normenkette
§ 69 FGO , § 70 FGO , § 17 GVG , § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG
Sachverhalt
Der Antragsteller streitet mit dem FA über die Anerkennung als Freiberufler. Mit Einspruch und Klage gegen den GewSt-Messbescheid 1995 hatte er zunächst keinen Erfolg. Gegen das FG-Urteil hat er Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Für die Jahre 1996 bis2001 anhängige Einspruchsverfahren ruhen bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits betreffend 1995. Allerdings hatte der Antragsteller für 1996 bis 2001 AdV beantragt, die vom FA abgelehnt worden war. Daraufhin stellte er einen Aussetzungsantrag beim BFH, weil dort das Verfahren wegen 1995 anhängig sei.
Entscheidung
Der BFH hielt sich nicht für sachlich zuständig und verwies das Aussetzungsverfahren an das FG.
Hinweis
1. Kann der Steuerpflichtige AdV beim FA nicht erreichen, steht ihm der Weg zum FG offen. Das Gericht kann unabhängig davon angerufen werden, ob sich das Hauptsacheverfahren noch im Stadium des Einspruchs befindet oder ob bereits Klage erhoben ist. "Gericht der Hauptsache" i.S.d. § 69 Abs. 3 FGO ist das FG auch vor Klageerhebung.
Befindet sich der Rechtsstreit schon beim BFH, ist dieser für einen gerichtlichen AdV-Antrag zuständig, und zwar ungeachtet dessen, ob Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt worden ist. Der BFH wird dann als erst- und zugleich letztinstanzliches Gericht tätig. Ist der AdV-Antrag vor Anrufung des BFH noch beim FG gestellt worden, muss das Verfahren an den BFH verwiesen werden.
2.Im Besprechungsfall war der Steuerpflichtige der Meinung, der BFH sei sogar dann zuständig für einen AdV-Antrag, wenn bei ihm ein Rechtsstreit in gleicher Sache, aber wegen eines anderen Streitjahres anhängig sei. Dieser Ansicht wollte sich der BFH nicht anschließen. Er sei nur zuständig, wenn das nämliche Hauptsacheverfahren bei ihm anhängig sei.
3. Auch wenn der AdV-Antrag beim instanziell unzuständigen Gericht erhoben worden ist, muss nicht befürchtet werden, dass er als unzulässig verworfen wird. Entgegen einer zum allgemeinen Verwaltungsprozess vertretenen Auffassung ist der BFH in ständiger Rechtsprechung zugunsten des Antragstellers der Meinung, dass auch ein summarisches Eilverfahren nach § 70 FGO i.V.m. § 17a GVG an das zuständige Gericht zu verweisen ist. Um Verzögerungen zu vermeiden, sollten Sie aber insbesondere bei drohender Vollstreckung darauf achten, den Antrag bei dem zuständigen Gericht zu stellen.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 25.11.2003, IV S 15/03