Leitsatz
Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass ein Verzögerungsgeld auch verhängt werden kann, wenn ein Steuerpflichtiger einer Aufforderung des FA zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage von Unterlagen im Rahmen einer Außenprüfung nicht fristgerecht nachkommt.
Es bestehen indes ernstliche Zweifel, ob eine mehrfache Festsetzung eines Verzögerungsgelds wegen fortdauernder Nichtvorlage derselben Unterlagen zulässig ist.
Normenkette
§ 146 Abs. 2b, § 200 Abs. 1, § 332 Abs. 3 AO
Sachverhalt
Im Rahmen einer Außenprüfung forderte das FA die geprüfte Personengesellschaft zur Vorlage bestimmter Unterlagen und eines Datenträgers auf. Nachdem zwei schriftliche Anforderungen ergebnislos geblieben waren, setzte das FA nochmals eine einwöchige Frist und drohte für den Fall der nicht fristgerechten Vorlage ein Verzögerungsgeld von 2 500 EUR an. Nur der Datenträger wurde daraufhin vorgelegt, worauf das FA ein Verzögerungsgeld von 2 500 EUR festsetzte. Gegen diesen Bescheid wehrte sich die Personengesellschaft erfolglos mit einem Einspruch und einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung.
Das FA erließ vier Wochen nach dem ersten Bescheid eine erneute Aufforderung zur Vorlage der Buchführungsunterlagen mit einer einwöchigen Frist unter erneuter Androhung eines Verzögerungsgelds. Nach Fristablauf setzte das FA ein zweites Verzögerungsgeld von nun 3 000 EUR fest. Hiergegen wurde Sprungklage erhoben, der das FA nicht zustimmte; einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte es ab.
Die Personengesellschaft beantragte daraufhin beim FG Aussetzung der Vollziehung beider angefochtener Bescheide. Während des Verfahrens ersetzte das FA beide Bescheide, hielt an der Festsetzung der Verzögerungsgelder fest und erläuterte umfassend seine Ermessenserwägungen. Das FG setzte die Vollziehung beider Bescheide aus (FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 15.10.2010, 3 V 1296/10, Haufe-Index 2551940, EFG 2011, 298).
Entscheidung
Die Beschwerde des FA hatte in Bezug auf den ersten Bescheid Erfolg. An der Rechtmäßigkeit des zweiten Bescheids bestehen jedoch auch nach Meinung des BFH ernstliche Zweifel.
Hinweis
1. Der Beschluss ist die erste Entscheidung des BFH zu dem im Jahr 2009 etablierten sog. Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO. Zwar war nur im summarischen Verfahren über zwei Anträge auf Aussetzung der Vollziehung zu entscheiden. Der BFH sah aber trotzdem Anlass, eingehend und grundsätzlich auf die Zulässigkeit und die Voraussetzungen des Verzögerungsgelds einzugehen.
2. Nach § 146 Abs. 2b AO kann bei Nichterfüllung bestimmter Auflagen des FA ein Verzögerungsgeld von 2 500 EUR bis 250 000 EUR festgesetzt werden. Die Regelung sollte ursprünglich als Ergänzung zu der ebenfalls ab 2009 möglichen Auslagerung der Buchführung ins Ausland dienen und ein Mittel dafür bieten, der Einhaltung im Zusammenhang mit der Auslagerung stehender Pflichten und einer möglichen Aufforderung zur Rückverlagerung Nachdruck zu verleihen. Daraus erklärt sich auch die erhebliche Höhe des möglichen Verzögerungsgelds.
Im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens hatte man aus Gründen der Gleichbehandlung von im In- und Ausland Bücher führenden Steuerpflichtigen eine Erstreckung des Verzögerungsgelds auf Inlandsfälle für notwendig gehalten. Nach dem endgültigen Gesetzeswortlaut werden damit alle Mitwirkungspflichten im Rahmen einer Außenprüfung von der Sanktionierung durch das Verzögerungsgeld erfasst. Der BFH hält eine Begrenzung auf Auslandsfälle im Wege teleologischer Reduktion nicht für möglich.
3. Bemerkenswert ist, dass damit eine Konkurrenz zur Festsetzung eines Zwangsgelds nach § 328 Abs. 1 AO besteht, das allerdings eine Höhe von 25 000 EUR nicht überschreiten darf (§ 329 AO). Ein Zwangsgeld darf nach Erfüllung der sanktionierten Verpflichtung nicht vollstreckt werden (§ 335 AO), während das festgesetzte Verzögerungsgeld auch dann gezahlt werden muss, wenn die Verpflichtung später erfüllt wird.
4. Die Festsetzung des Verzögerungsgelds ist eine Ermessensentscheidung und muss deshalb unter Angabe der Ermessenserwägungen begründet werden. Diese Begründung kann auch noch im Rechtsbehelfsverfahren und sogar noch vor dem FG nachgeholt werden. Eine gerichtliche Überprüfung ist dann nur eingeschränkt möglich, weil das Gericht sein Ermessen nicht an das ordnungsgemäß ausgeübte Ermessen der Behörde setzen darf (§ 102 FGO).
Ermessensfehlerhaft dürfte es nach der hiesigen Entscheidung aber sein, wenn das FA wegen derselben Verpflichtung wiederholt ein Verzögerungsgeld festsetzt. Eine ausdrückliche Regelung zu dieser Frage enthält § 146 Abs. 2b AO nicht. Der BFH hält jedenfalls eine analoge Anwendung des § 332 Abs. 3 AO, wonach ein Zwangsgeld wiederholt festgesetzt werden kann, für unzulässig. Wenn die Festsetzung des Verzögerungsgelds nicht zur Erfüllung der Mitwirkungspflicht führt, muss das FA deshalb ggf. mit Zwangsmitteln nach § 328 AO vorgehen.
5. Nicht entscheiden musste der BFH die Frage, ob eine "Atomisierung" von Mitwirkungspflichten mit jeweiliger Festsetzung eines Ver...