Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
1. Aufwendungen für die Hin- und Rückreise bei gemischt beruflich (betrieblich) und privat veranlassten Reisen können grundsätzlich in abziehbare Werbungskosten oder Betriebsausgaben und nicht abziehbare Aufwendungen für die private Lebensführung nach Maßgabe der beruflich und privat veranlassten Zeitanteile der Reise aufgeteilt werden, wenn die beruflich veranlassten Zeitanteile feststehen und nicht von untergeordneter Bedeutung sind.
2. Das unterschiedliche Gewicht der verschiedenen Veranlassungsbeiträge kann es jedoch im Einzelfall erfordern, einen anderen Aufteilungsmaßstab heranzuziehen oder ganz von einer Aufteilung abzusehen.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 S. 1, § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1 S. 1 und 2 EStG
Sachverhalt
Der VI. Senat hatte mit Beschluss vom 20.07.2006 (VI R 94/01, BFH/NV 2006, 1968, BFH/PR 2006, 434) dem Großen Senat die Frage vorgelegt, ob Aufwendungen für die Hin- und Rückreise einer teils beruflich und teils privat veranlassten Reise in abziehbare Werbungskosten und in nicht abziehbare private Kosten nach Maßgabe der beruflichen und privaten Zeitanteile der Reise aufgeteilt werden können. Im Streitfall hatte ein EDV-Controller eine viertägige Computermesse in Las Vegas besucht; anschließend blieb er noch drei Tage privat in den USA.
Das FG Köln (Urteil vom 21.06.2001, 10 K 6288/96, Haufe-Index 604839, EFG 2001, 1186) hatte die Kosten des Hin- und Rückflugs aufgeteilt (4/7 Werbungskosten und 3/7 als private Kosten). Der BFH sah sich an einer Bestätigung dieser Vorentscheidung angesichts der Rechtsprechung des BFH zum Aufteilungs- und Abzugsverbot gehindert und rief daher den Großen Senat an.
Entscheidung
Der Große Senat folgte der Auffassung des VI. Senats, wie aus Leitsatz 1 ersichtlich. Auf dieser Grundlage wird nun das Revisionsverfahren VI R 94/01 fortgeführt.
Hinweis
Der Beschluss des Großen Senats bejahte zum einen – wie aus dem 1. Leitsatz ersichtlich – die Frage des Vorlagebeschlusses. Die hatte allein den Abzug von Aufwendungen für die Hin- und Rückreise bei einer gemischt (beruflich und privat) veranlassten Reise zum Thema. Insoweit hat die Praxis nun Rechtsklarheit. Wenn es noch zu Rechtsstreitigkeiten dazu kommt, wird es Aufgabe der Tatsacheninstanz (FGe) sein, unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls die Kosten sachgerecht ggf. schätzweise aufzuteilen (1.).
Die Begründung des Großen Senats reicht indessen über die Aufteilung von Reisekosten hinaus. Er ist nämlich jetzt (Rechtsprechungsänderung) der Auffassung, dass – so wörtlich –, "§ 12 Nr. 1 S. 2 EStG kein allgemeines Aufteilungs- und Abzugsverbot normiert"(2.). Die daran anknüpfende und nicht nur für die Praxis bedeutsame Frage, welche sonstigen gemischten Aufwendungen davon betroffen und daher jedenfalls anteilig als Erwerbsaufwendungen abziehbar sein werden, beantwortet der Beschluss mit Grundsätzen und einigen Beispielen (3.).
1. Für gemischt veranlasste Reisen, also beruflich veranlasste Reisen, denen etwa ein Urlaub angefügt oder vorangestellt wird, gilt nun: Die Aufwendungen dafür sind grundsätzlich – sofern die berufliche oder private Veranlassung nicht von völlig untergeordneter Bedeutung – aufzuteilen, ihr beruflich veranlasster Teil ist abziehbar, der berufliche Kostenanteil ist notfalls zu schätzen. Dies gilt auch für solche Reisekostenteile, die sowohl den beruflichen als auch den privaten Reiseteil betreffen. Im Streitfall waren das die Kosten der Hin- und Rückreise zu dem Aufenthalt in Las Vegas. Das wurde bisher schon so etwa bzgl. fixer Pkw-Kosten und Telefongrundgebühren praktiziert.
Als sachgerechten Aufteilungsmaßstab sieht der Große Senat – wie schon das FG und der vorlegende VI. Senat – die beruflichen und privaten Zeitanteile einer Reise.
2. Zur Begründung seiner Entscheidung verabschiedet sich der Große Senat von dem in langjähriger Rechtsprechung hochgehaltenen Grundsatz, dass aus § 12 Nr. 1 S. 2 EStG ein allgemeines Aufteilungs- und Abzugsverbot zu entnehmen ist. Er greift dazu auf Rechtsprechung des preußischen Oberverwaltungsgerichts von 1901 zur Vorgängervorschrift des § 12 EStG sowie auf die Gesetzesbegründung zu § 12 EStG zurück und entnimmt sowohl dem objektiven Nettoprinzip als auch dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, dass berufliche Kostenanteile, soweit abgrenzbar, auch abziehbar sein müssen. So sei z.B. ein Hobby-Skiläufer ebenso wenig dadurch benachteiligt, dass für den Berufs-Skilehrer die angeschafften Ski Arbeitsmittel i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 6 EStG seien, wie ein Tourist, wenn ein Computerfachmann, der aus beruflichen Gründen eine Messe der IT-Industrie in den USA besucht, die Kosten des beruflichen (nicht privaten) Anteils der Reise abziehen kann. Selbstkritisch erinnert der BFH an ältere Entscheidungen, in denen er Aufwendungen für Fernreisen insgesamt trotz touristischer Komponente als beruflich beurteilt hatte, dem aber besser durch Aufteilung – ggf. mit Schätzung – hätte Rechnung getragen werden sollen.
Und wenn auch bei Auslandsreisen die berufli...