Dr. Björn-Axel Dißars, Dr. Ulf-Christian Dißars
Leitsatz
Ein grobes Verschulden des Steuerpflichtigen an der nachträglichen Geltendmachung von Unterhaltsaufwendungen bei Verwendung der ELSTER-Software scheidet aus.
Sachverhalt
Der Kläger zahlte in 2008 monatlich 1.100 EUR Unterhalt an seine Lebensgefährtin und das gemeinsame Kind. In der im August 2009 mittels ELSTER eingereichten Einkommensteuererklärung 2008 erklärte er die Unterhaltsaufwendungen nicht. Die Einkommensteuer 2008 wurde bestandskräftig. Ein Jahr später beantragte der Kläger die nachträgliche Berücksichtigung der Unterhaltszahlungen. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab. Den Kläger treffe an dem nachträglichen Bekanntwerden ein grobes Verschulden. Der Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg, so dass es zum Klageverfahren kam.
Entscheidung
Die Klage hatte in vollem Umfang Erfolg. Das FG Hamburg kam zu der Ansicht, dass ein grobes Verschulden des Klägers an dem nachträglichen Bekanntwerden der Unterhaltszahlungen, mithin an einer Tatsache, die zu einer niedrigeren Steuer führte, ausscheide. Zwar sei es ständige Rechtsprechung, dass einen Steuerpflichtigen ein grobes Verschulden treffe, wenn er eine in einem Steuererklärungsformular ausdrücklich genannten Vorgang nicht beachte. Nach Ansicht des Gerichts ist aber das ELSTER-Formular zur Einkommensteuer 2008 bezüglich der Unterhaltsleistungen so unvollständig ausgestaltet, dass von einem groben Verschulden nicht die Rede sein könne.
Hinweis
Es ist seit langem ständige Rechtsprechung, dass ein Steuerpflichtiger, der eine in einem Steuerformular ausdrücklich gestellte Frage nicht beantwortet und deshalb Aufwendungen nicht geltend macht, grundsätzlich grob fahrlässig handelt . Der technischen Entwicklung geschuldet mehren sich in der letzten Zeit die Fälle, in denen die Steuerpflichtigen ihre Steuererklärungen mit dem System ELSTER an das Finanzamt übermitteln . Ob und wann in einem solchen Fall den Steuerpflichtigen ein grobes Verschulden trifft, ist dabei noch im Fluss. Wahrscheinlich werden erst Entscheidungen des BFH hierzu eine gewisse Klarheit bringen. Derzeit scheint sich aber anzudeuten, dass das Programm - zumindest bislang - noch nicht die gleiche Eindeutigkeit wie die Steuerformulare aufweist. Solange hier nicht Klarheit herrscht, besteht deshalb für Steuerpflichtige eine größere Möglichkeit, nachträglich Aufwendungen geltend machen zu können, als dies bei einer auf herkömmlichem Wege eingereichten Steuererklärung nach Bestandskraft der Fall ist. Es bleibt abzuwarten, ob der BFH in der Revisionsentscheidung zumindest eine gewisse Klarheit schafft.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Das Aktenzeichen des BFH ist VI R 9/12.
Link zur Entscheidung
FG Hamburg, Urteil vom 27.09.2011, 1 K 43/11