BMF, Schreiben v. 29.12.2023, IV D 1 - S 0062/23/10005 :001, BStBl I 2024, 12
Durch das Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz (MoPeG) vom 10. August 2021 (BGBl 2021 I S. 3436) wird das Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mit Wirkung ab 1. Januar 2024 konsolidiert und konsequent am Leitbild einer auf gewisse Dauer angelegten, mit eigenen Rechten und Pflichten ausgestatteten Personengesellschaft ausgerichtet. Die GbR wird dabei nunmehr als Grundform aller rechtsfähigen Personen(handels)gesellschaften ausgestaltet und das Recht der Personengesellschaft an die Bedürfnisse eines modernen Wirtschaftslebens angepasst.
Die GbR kann entweder selbst Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, wenn sie nach dem gemeinsamen Willen der Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnehmen soll (rechtsfähige Gesellschaft), oder sie kann den Gesellschaftern zur Ausgestaltung ihres Rechtsverhältnisses untereinander dienen (nicht rechtsfähige Gesellschaft).
Die Beiträge der Gesellschafter sowie die für oder durch die rechtsfähige GbR erworbenen Rechte und die gegen sie begründeten Verbindlichkeiten sind Vermögen der Gesellschaft. Als Konsequenz aus der rechtlichen Verselbstständigung der rechtsfähigen GbR wird die Vertretungsbefugnis von der Geschäftsführungsbefugnis entkoppelt. Im Verhältnis zu Dritten entsteht die rechtsfähige GbR, sobald sie mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnimmt, spätestens aber mit ihrer Eintragung im Gesellschaftsregister.
Eine nicht rechtsfähige GbR hat als bloßes Schuldverhältnis zwischen den Gesellschaftern ohne Außenwirkung kein Vermögen und keine gesetzlichen Vertreter.
Durch Artikel 23 des Kreditzweitmarktförderungsgesetzes vom 29. Dezember 2023 , BGBl 2023 I Nr. 411, wurden zahlreiche Bestimmungen der Abgabenordnung (AO) an die Rechtslage nach Inkrafttreten des MoPeG am 1. Januar 2024 angepasst. Die von den Rechtsänderungen durch das MoPeG und Artikel 23 des Kreditzweitmarktförderungsgesetzes betroffenen Regelungen des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) sind mit Wirkung ab 1. Januar 2024 anzupassen.
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird im Anwendungserlass zur Abgabenordnung vom 31. Januar 2014 (BStBl 2014 I S. 290), der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 30. Juni 2023 (BStBl 2023 I S. 1076) geändert worden ist, mit Wirkung vom 1. Januar 2024 wie folgt geändert:
Nach der Regelung zu § 12 AO werden folgende Regelungen zu den §§14a und 14b AO eingefügt:
„AEAO zu § 14a – Personenvereinigungen
- Personenvereinigungen mit Rechtspersönlichkeit (z. B. AG, GmbH, eingetragener Verein i. S. d. § 21 BGB, wirtschaftlicher Verein i. S. d. § 22 BGB) sind keine Personenvereinigungen i. S. d. § 14a AO.
- Die Aufzählung rechtsfähiger und nicht rechtsfähiger Personenvereinigungen in § 14a Abs. 2 und 3 AO ist nicht abschließend.
Nach § 719 Abs. 1 BGB entsteht eine rechtsfähige Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), sobald sie
- mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnimmt,
- spätestens aber mit ihrer Eintragung im Gesellschaftsregister.
Für einen Beginn der Teilnahme am Rechtsverkehr muss die GbR - nach dem Willen aller Gesellschafter - als solche (d. h. im eigenen Namen) nach außen in Erscheinung treten. Dies kann durch vorbereitende Rechtsgeschäfte geschehen, wie z. B. die Eröffnung eines Geschäftskontos (GbR als Kontoinhaber) oder die Anmietung von Geschäftsräumen (GbR als Mieter), aber auch schon durch Verteilung von Prospekten (GbR offeriert Lieferungen oder Leistungen). Unzureichend sind Rechtsgeschäfte zwischen Gesellschafter und GbR, der Gesellschafter untereinander oder der Gesellschafter mit Dritten. Die Anmeldung der GbR als Gewerbebetrieb nach § 138 Abs. 1 AO sowie die Übermittlung des Fragebogens nach § 138 Abs. 1b AO reichen für sich allein ebenfalls nicht aus.
Handelt ein Gesellschafter eigenmächtig „im Namen der GbR“, bevor die GbR rechtsfähig geworden ist (§719 Abs. 1 BGB), haftet er als Vertreter ohne Vertretungsmacht. Abhängig von den Umständen des Einzelfalls kann in diesem Fall zudem eine Scheingesellschaft entstehen, bei der sich die Haftung ihrer vermeintlichen Gesellschafter nach allgemeinen Rechtsscheingrundsätzen beurteilt.
Eine Vereinbarung, dass die GbR erst zu einem späteren Zeitpunkt entstehen soll, ist Dritten gegenüber (also auch gegenüber Finanzbehörden) unwirksam (§ 719 Abs. 2 BGB).
Im Verhältnis zu Dritten entsteht eine offene Handelsgesellschaft (OHG), sobald sie im Handelsregister eingetragen ist (§ 123 Abs. 1 Satz 1 HGB). Dessen ungeachtet entsteht die OHG schon dann, wenn sie mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnimmt, soweit sich aus § 107 Abs. 1 HGB nichts anderes ergibt (§ 123 Abs. 1 Satz 2 HGB).
Eine Vereinbarung, dass die OHG erst zu einem späteren Zeitpunkt entstehen soll, ist Dritten gegenüber (also auch gegenüber Finanzbehörden) unwirksam (§ 123 Abs. 2 HGB).
- Für Kommanditgesellschaften (KG) gilt § 123 HGB entsprechend (§ 161...