Leitsatz
1. Wird ein für das Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahrs maßgebender Wertansatz korrigiert, der sich auf die Höhe des Gewinns der Folgejahre auswirkt, so stellt dies ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung hinsichtlich der Veranlagung für die Folgejahre dar (Bestätigung des Senatsurteils vom 19.8.1999, IV R 73/98, BStBl II 2000, 18).
2. Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn der Festsetzungsfrist für eine Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist dann der Erlass des Veranlagungsbescheids, mit dem die Korrektur des Betriebsvermögens erstmalig berücksichtigt wurde.
3. Die Änderungen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sind für alle Folgejahre durchzuführen. Tritt für ein Zwischenjahr Festsetzungsverjährung ein, so ist die Gewinnkorrektur des darauf folgenden Jahrs so durchzuführen, als wäre der Gewinn des Zwischenjahrs zutreffend angepasst worden.
Normenkette
§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO , § 4 Abs. 1 EStG
Sachverhalt
Nach bestandskräftiger Feststellung des Gewinns einer KG für die Jahre 1977 und 1978 wurde aufgrund einer Außenprüfung im Dezember 1985 ein geänderter Bescheid für 1976 erlassen. Dabei wurden u.a. einige Darlehen nicht als Schuldposten und die Zinsen nicht als Betriebsausgaben anerkannt. Dementsprechend änderten sich auch Kapitalkonten der Kommanditisten.
Im Jahr 1978 waren Kommanditisten mit negativen Kapitalkonten aus der Gesellschaft ausgeschieden. Die Änderungen aus dem Jahr 1976 wirkten sich auf die Höhe der aufzulösenden Kapitalkonten und der Veräußerungsgewinne aus. Das FA erließ deshalb im Juli 1989 einen geänderten Bescheid für 1978, dem für 1977 und 1978 fortentwickelte Kapitalkonten zugrunde lagen. Ein geänderter Bescheid für 1977 erging nicht.
Die KG war der Meinung, der Änderungsbescheid für 1978 sei nach Ablauf der Feststellungsverjährung ergangen. Außerdem hätte zuvor eine Änderung des Bescheids für 1977 erfolgen müssen.
Entscheidung
Weder vor dem FG noch vor dem BFH war die KG erfolgreich. Der BFH teilte die Auffassung des FA, dass der Bescheid für 1978 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO hätte geändert werden dürfen. Führe die Änderung eines Bescheids zu einem geänderten Betriebsvermögen, sei darin ein rückwirkendes Ereignis für Bescheide der Folgejahre zu sehen. Dieses löse zugleich eine neue Feststellungsfrist von vier Jahren aus. Ein negatives Kapitalkonto beeinflusse das Betriebsvermögen i.S.d. § 4 Abs. 1 EStG.
Zu ändern seien alle Bescheide für Folgejahre, in denen sich das geänderte Betriebsvermögen auswirke. Lasse das FA die Änderung für ein Jahr aus, stehe dies der Änderung für ein späteres Jahr nicht entgegen. Könne für das Zwischenjahr wegen Ablaufs der Feststellungsfrist kein geänderter Bescheid mehr ergehen, dürfe die Änderung in dem späteren Jahr allerdings nur in dem Umfang erfolgen, der zulässig gewesen wäre, wenn auch dazwischen liegende Bescheide angepasst worden wären.
Hinweis
1. Das Besprechungsurteil bestätigt die Auffassung des BFH, dass die Änderung eines Gewinnfeststellungsbescheids bzw. einer ESt-Veranlagung wegen eines geänderten Gewinns eines bilanzierenden Steuerpflichtigen Folgeänderungen für spätere bereits veranlagte Jahre nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO auslösen kann. Ändert sich das Betriebsvermögen zum Schluss des betroffenen Wirtschaftsjahrs, bedeutet das wegen der sog. Zweischneidigkeit der Bilanz zugleich eine Änderung des Anfangsbetriebsvermögens des Folgejahrs. Für alle -folgenden Jahre, in denen entsprechende Auswirkungen eintreten, ist die Änderung eines früheren Jahrs ein rückwirkendes Ereignis, das deshalb zu einer Änderung des Bescheids für das Folgejahr führt.
Diese Folgewirkung tritt auch dann ein, wenn das FA fehlerhaft die Änderung eines Zwischenjahrs unterlässt. So war es im Besprechungsfall, in dem zunächst der Bescheid für 1976 geändert wurde und dadurch Folgewirkungen für 1977 und 1978 eintraten. Dass das FA vergessen hatte, den Bescheid 1977 zu ändern, stand der vorgenommenen Änderung für 1978 nicht entgegen.
2.Beachten Sie, dass die formelle Änderungsbefugnis noch nichts darüber sagt, welche Änderungen inhaltlich durchgeführt werden dürfen. Im Grundsatz dürfen in jedem Jahr nur die Gewinnauswirkungen erfasst werden, die sich bei ununterbrochenen Folgeänderungen im jeweiligen Jahr ergeben würden. Verfährt das FA anders und ändert es nur den letzten Bescheid, darf es Änderungen aus Zwischenjahren nicht mit erfassen. Wirken sich die Änderungen zugunsten des Steuerpflichtigen aus, muss er für die Zwischenjahre ggf. den Erlass geänderter Bescheide ausdrücklich beantragen.
Ist zwischenzeitlich die Feststellungs- oder Festsetzungsfrist für ein Zwischenjahr abgelaufen, bewirkt der materielle Bilanzenzusammenhang nach Meinung des BFH, dass in dem späteren Jahr von dem Anfangsbetriebsvermögen auszugehen ist, das sich bei ordnungsgemäßer Änderung der Zwischenjahre ergeben hätte. Gewinnauswirkungen in dem Zwischenjahr gehen dadurch also verloren.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 30.6.2005, IV R 11/04