Leitsatz
Voraussetzung für die Änderung eines Steuerbescheids gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist, dass ein rückwirkendes Ereignis nachträglich – nach Ergehen des Steuerbescheids – eintritt und nicht bereits bei dessen Erlass berücksichtigt werden konnte.
Normenkette
§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO
Sachverhalt
Es ging um die Frage, ob die Gewinnausschüttung einer GmbH im Jahr 1993 (Streitjahr), die teilweise zur Aufzehrung des Stammkapitals führt und die deswegen gegen § 30 GmbHG verstößt, als Gewinnausschüttung i.S.v. § 27 Abs. 3 Satz 1 oder Satz 2 KStG anzusehen ist. Die GmbH nahm Ersteres, das FA nahm Letzteres an.
Dementsprechend wurde die KSt für das Jahr 1994 im Bescheid vom 7.8.1995 gemindert, weil die Ausschüttung erst in diesem Jahr bei der Gesellschaft abgeflossen war. Nachdem sowohl dieser KSt-Bescheid 1994 als auch der KSt-Bescheid 1993, den das FA ebenfalls am 7.8.1995 erlassen hatte, rechtskräftig geworden waren, beantragte die GmbH, den KSt-Bescheid 1993 gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern und die KSt mit Blick auf die Gewinnausschüttung zu mindern.
Das FG hielt dieses Begehren in jenem Umfang, in welchem gegen § 30 GmbHG verstoßen worden sei, für berechtigt (EFG 2000, 1144).
Entscheidung
Der BFH hielt hingegen die Revision des FA wegen der geschilderten Verfahrenskonstellation für begründet: Da die betreffenden Ereignisse bei Erlass des KSt-Bescheids 1993 vom 7.8.1995 bereits bekannt waren, hätten sie in diesem Bescheid auch bereits berücksichtigt werden können. Folglich bleibe für eine rückwirkende Änderung des Bescheids und eine Durchbrechung seiner Bestandskraft gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO kein Raum; das Änderungsbegehren der GmbH sei unbegründet.
Hinweis
Eigentlich enthält das Urteil nicht so schrecklich viel Neues. Dennoch lohnt es, sich zu vergegenwärtigen, dass die Änderung eines Steuerbescheids gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO wegen eines rückwirkenden Ereignisses nur dann in Betracht kommen kann, wenn dieses Ereignis bei Ergehen des betreffenden Steuerbescheids noch nicht berücksichtigt werden konnte. Das Ereignis muss also in jedem Fall ein nachträgliches sein. Nur dann ist eine rückwirkende Änderung gerechtfertigt. Konnte das fragliche Ereignis jedoch von vornherein – also schon bei Erlass des Bescheids – berücksichtigt werden, dann scheidet diese Änderungsmöglichkeit aus!
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 27.6.2001, I R 69/00 (NV)