Leitsatz
1. Für Erwerbsvorgänge vor Inkrafttreten der Änderungen in § 1 Abs. 2a GrEStG durch das Steueränderungsgesetz 2015 wird zur Berücksichtigung mittelbarer Strukturen auf allen Beteiligungsebenen durch Kapital- und Personengesellschaften gleichermaßen durchgeschaut (Bestätigung der Rechtsprechung).
2. Hat die Finanzbehörde nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG die Besteuerungsgrundlagen für einen zu einem bestimmten Zeitpunkt durch einen bestimmten Rechtsvorgang verwirklichten Erwerbsvorgang gesondert festgestellt, kann sie den Bescheid weder im Einspruchsverfahren noch im Klageverfahren dahingehend ändern, dass der Erwerbsvorgang durch einen zu einem anderen Zeitpunkt und einen anderen Rechtsvorgang verwirklichten Erwerbsvorgang ausgetauscht wird.
3. Ist der Erwerbsvorgang auf einen unzutreffenden Zeitpunkt festgestellt worden, ist der Bescheid aufzuheben und ggf. ein neuer Bescheid über die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen zu erlassen.
Normenkette
§ 1 Abs. 2a, § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG
Sachverhalt
Die Klägerin, eine KG, wurde im Oktober 2000 gegründet. An ihrem Kapital i.H.v. 10.000 EUR waren als Kommanditistinnen die B‐GmbH zu 1 % und die C‐GmbH zu 99 % beteiligt. Die Komplementär-GmbH war nicht am Kapital beteiligt. Im November 2000 erwarb die Klägerin von der C‐GmbH ein Grundstück. D war an der C-GmbH zum 9.12.2003 zu 16 % beteiligt.
Am 21.3.2007 übertrug die C‐GmbH aus ihrem Kommanditanteil an der Klägerin einen Anteil i.H.v. 600 EUR (6 %) auf D. Zu diesem Zeitpunkt betrug die Beteiligung von D an der C‐GmbH 40 %. Am 3.4.2007 änderte die C‐GmbH ihre Firma in E-GmbH und wurde am 4.4.2007 auf die F-GmbH verschmolzen. Die Verschmelzung wurde am 20.4.2007 in das Handelsregister eingetragen.
Am 23.12.2008 wurden in das Handelsregister der Klägerin folgende Eintragungen vorgenommen:
(1) das Eintreten des D mit 600 EUR als neuer Kommanditist
(2) die Namensänderung der C-GmbH in E-GmbH
(3) die Herabsetzung deren Kommanditanteils auf 9.300 EUR
(4) deren Ausscheiden als Gesellschafterin
(5) der Eintritt der F-GmbH im Wege einer Gesamtrechtsnachfolge
Mit Bescheid vom 14.8.2009 stellte das FA nach § 17 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG fest, dass mit der Handelsregistereintragung vom 23.12.2008 bei der Klägerin ein Gesellschafterwechsel gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG stattgefunden habe. Durch die Verschmelzung der C-GmbH mit der F-GmbH und durch den Eintritt des D seien insgesamt 99 % der Anteile an der Klägerin auf neue Gesellschafter übergegangen. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.
Während des Klageverfahrens erließ das FA nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 AO Änderungsbescheide, mit denen nunmehr die Besteuerungsgrundlagen für einen am 20.4.2007 verwirklichten Tatbestand festgestellt wurden. Grundlage sei die Verschmelzung der C-GmbH (neu: E-GmbH) mit der F-GmbH und der Eintritt des D, wodurch 99 % der Anteile an der Klägerin auf neue Gesellschafter übergegangen seien.
Das FG wies die Klage ab (FG Düsseldorf, Urteil vom 29.3.2017, 7 K 439/10 GE, Haufe-Index 10715923, EFG 2017, 852).
Entscheidung
Der BFH hob auf die Revision der Klägerin die Vorentscheidung und die ergangenen Feststellungsbescheide auf. Zu Unrecht habe das FG angenommen, dass der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft, die Gesellschafterin einer Personengesellschaft sei, nach der im Streitfall maßgebenden früheren Fassung des § 1 Abs. 2a GrEStG an der Personengesellschaft nicht mittelbar beteiligt sei. Anhand der Feststellungen könne nicht abschließend beurteilt werden, ob der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG mit Wirksamwerden der Verschmelzung der E-GmbH auf die F-GmbH am 20.4.2007 erfüllt worden sei. Dies bedürfe aber keiner Klärung. Der Feststellungsbescheid vom 14.8.2009 bezeichne – zwischen den Beteiligten unstreitig – einen unzutreffenden Erwerbsvorgang. Mit der Handelsregistereintragung des D als neuen Kommanditisten der Klägerin vom 23.12.2008 habe kein Gesellschafterwechsel gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG stattgefunden. Das FA habe im laufenden Klageverfahren den Bescheid vom 14.8.2009 nicht in der Weise ändern dürfen, dass die Besteuerungsgrundlagen nunmehr für einen anderen als den ursprünglich vorgesehenen Erwerbsvorgang festgestellt worden seien.
Hinweis
1. Der BFH bestätigt mit dem Besprechungsurteil seine Rechtsprechung zur Auslegung des § 1 Abs. 2a GrEStG in der Fassung, die vor der Neufassung der Vorschrift durch Art. 8 Nr. 1 StÄndG 2015 gegolten hat. Die Neufassung ist nach § 23 Abs. 13 GrEStG i.d.F. des Art. 8 Nr. 5 StÄndG 2015 auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 5.11.2015 verwirklicht werden.
Nach dieser Rechtsprechung, die nur noch Altfälle betrifft, kann eine angemessene Berücksichtigung mittelbarer Strukturen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nur erreicht werden, wenn auf allen Beteiligungsebenen durch Kapital- und Personengesellschaften gleichermaßen durchgeschaut und dortige Veränderungen der jeweiligen Beteiligungsverhältnisse in die Betrachtung einbezogen werden. Auch Gesell...