Leitsatz
1. Die Übertragung von mindestens 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Personengesellschaft ist auch dann nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbar, wenn der (Alt‐)Gesellschafter nach der Übertragung der Anteile weiter mittelbar im vollen Umfang an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt bleibt.
2. Die nach § 1 Abs. 2a GrEStG entstandene Grunderwerbsteuer wird nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG insgesamt nicht erhoben, wenn der teils unmittelbar, teils mittelbar über eine Kapitalgesellschaft beteiligte Gesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft seine Anteile auf eine andere Personengesellschaft überträgt und er an dieser – zwischengeschalteten – Personengesellschaft unmittelbar allein beteiligt ist.
Normenkette
§ 1 Abs. 2a, § 6 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 GrEStG
Sachverhalt
An der grundstücksbesitzenden S KG waren die H AG mit 99 % und die S GmbH, an welcher wiederum die H AG zu 100 % beteiligt war, mit 1 % beteiligt. Aufgrund eines Ausgliederungs- und Übernahmevertrags übertrug die H AG sowohl ihren unmittelbaren Anteil an der S KG in Höhe von 99 % als auch ihren Anteil von 100 % an der S GmbH auf die H KG. Am Kapital der H KG war die H AG zu 100 % beteiligt. Das FA sah durch die Ausgliederung der unmittelbaren und mittelbaren Beteiligung der H AG an der S KG den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG als erfüllt an und setzte gegen die S KG Grunderwerbsteuer für die Übertragung des Anteils von 1 % der H AG an der S GmbH auf die H KG fest. Für die Übertragung des Anteils von 99 % der H AG wurde die Steuer nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG nicht erhoben.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG bejahte die Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG auch im Hinblick auf die mittelbare Übertragung von 1 % der Anteile an der S KG (FG München, Urteil vom 18.3.2009, 4 K 1978/07, Haufe-Index 2166286, EFG 2009, 1141).
Entscheidung
Dem ist der BFH aus den in den Praxis-Hinweisen gegebenen Erläuterungen gefolgt. Die Anteilsübertragungen der H AG bezüglich der Beteiligungen an der S KG haben den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG erfüllt. Die vollständige Befreiung dieses Erwerbsvorgangs gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG entspricht dem Begünstigungszweck dieser Vorschriften, weil die Berechtigung der H AG am Gesellschaftsvermögen der S KG unverändert bestehen blieb.
Hinweis
§ 1 Abs. 2a GrEStG unterwirft die Änderung im Gesellschafterbestand einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft der Grunderwerbsteuer, wenn mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen. Für diesen Fall fingiert§ 1 Abs. 2a GrEStG den Übergang der Gesellschaftsgrundstücke auf eine "neue" Personengesellschaft. Die Steuerbarkeitsvoraussetzungen erfüllt seit der ab 1.1.2000 geltenden Neufassung der Vorschrift sowohl die unmittelbare als auch die mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands.
1. Kennzeichen der unmittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands ist der zivilrechtlich wirksame Übergang des Mitgliedschaftsrechts einschließlich der anteiligen sachenrechtlichen Mitberechtigung am Gesellschaftsvermögen auf ein neues Mitglied der Personengesellschaft. Eine solche unmittelbare Änderung des Gesellschafterbestands liegt auch vor, wenn die unmittelbare Beteiligung einer Kapitalgesellschaft an einer grundbesitzenden Personengesellschaft auf einen Neugesellschafter (Kapital- oder Personengesellschaft) übergeht.
Bleibt die vormals unmittelbar beteiligte Kapitalgesellschaft (als Altgesellschafter) weiterhin mittelbar am Neugesellschafter beteiligt, liegt zwar der Gedanke einer nicht nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbaren "wirtschaftlichen Altgesellschafterstellung" nahe. Hierfür kann jedoch nicht die auf Erfassung auch der "mittelbaren" Änderung des Gesellschafterbestands verwiesen werden, weil der Gesetzgeber insoweit ausschließlich die Erweiterung der Steuerbarkeitsvoraussetzungen im Auge hatte. Das für die Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 2a GrEStG letztlich entscheidende Moment ist aber die – unabhängig von der wirtschaftlichen Verbundenheiten der Anteilseigner – veränderte zivilrechtliche Zuordnung der Anteile. Hier kann nichts anderes gelten als für die vergleichbare Problematik im Rahmen des § 1 Abs. 3 GrEStG. Auch der Steuerbarkeit z.B. nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG steht nicht entgegen, wenn der alle Anteile an einer Gesellschaft Übertragende zugleich Alleingesellschafter der die Anteile erwerbenden Gesellschaft ist (BFH, Urteil vom 1.12.2004, II R 10/02, BFH/NV 2005, 1365).
2. Besondere Anwendungsprobleme bereitet die Anwendung des § 6 Abs. 3 GrEStG auf die mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG.
Dabei ist es im Grundsatz unstreitig, dass § 6 Abs. 3 GrEStG auch auf Erwerbsvorgänge i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG entsprechend (eine unmittelbare Anwendung scheidet wegen des von § 1 Abs. 2a GrEStG nur fingierten Grundstückserwerbs aus) anzuwenden ist. Dabei ist jedoch z...