Leitsatz
1. Die Mitteilung der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) führt bei Abweichungen in Bezug auf den Sonderausgabenabzug nach § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG nicht dazu, dass das Finanzamt ungeprüft den Inhalt dieser Mitteilung umzusetzen hat; die Mitteilung nach § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG ist im Verhältnis zum Einkommensteuerbescheid weder ein Grundlagenbescheid noch kommt ihr grundlagenbescheidsähnliche Wirkung zu.
2. § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG ermächtigt das Finanzamt lediglich, die Einkommensteuerfestsetzung i.S. des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d AO zu ändern.
Normenkette
§ 91 Abs. 1 Satz 4, § 10a Abs. 1 Satz 1, § 79 Satz 1, § 90 Abs. 4 Satz 2, § 92 EStG, § 171 Abs. 10, § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 351 Abs. 2 AO, § 42, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO
Sachverhalt
Der Kläger war als landwirtschaftlicher Unternehmer in der landwirtschaftlichen Alterskasse gesetzlich (renten-)versichert. Daneben zahlte er in den Streitjahren 2010 und 2011 Beiträge in einen Altersvorsorgevertrag ein. Das FA gewährte zunächst den geltend gemachten Sonderausgabenabzug gemäß § 10a EStG.
Anfang 2015 teilte die ZfA dem FA mit, der Kläger sei nicht unmittelbar zulageberechtigt. Daraufhin änderte das FA die Einkommensteuerfestsetzungen sowie die Feststellungen nach § 10a Abs. 4 EStG für die Streitjahre. Der Kläger legte unter Übersendung von Nachweisen zu seiner Pflichtmitgliedschaft in der landwirtschaftlichen Alterskasse Einspruch ein und stellte außerdem bei der ZfA Anträge auf Festsetzung der Altersvorsorgezulage für die Streitjahre. Diese lehnte die ZfA ab, da sie nicht fristgemäß eingegangen seien.
Das FA wies daraufhin die Einsprüche des Klägers gegen die geänderten Einkommensteuerfestsetzungen und die gesonderten Feststellungen nach § 10a Abs. 4 EStG ebenfalls zurück. Auch die Klage blieb erfolglos. Das FG meinte, aufgrund von § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG sei das FA verpflichtet gewesen, die Bescheide zulasten des Klägers zu ändern (FG Hamburg, Urteil vom 5.12.2018, 1 K 326/16, Haufe-Index 12818350, EFG 2019, 435).
Entscheidung
Die Revision war aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen erfolgreich. Der BFH hob aufgrund der unmittelbaren Zulageberechtigung des Klägers sowohl das Urteil als auch die geänderten Einkommensteuerbescheide auf, in denen ihm der Sonderausgabenabzug gemäß § 10a Abs. 1 EStG verweigert wurde.
Hinweis
1. In der inländischen gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherte, Besoldungsempfänger und Steuerpflichtige, die in der landwirtschaftlichen Alterskasse pflichtversichert sind, können gemäß § 10a Abs. 1 Satz 1 EStGAltersvorsorgebeiträge i.S.d. § 82 EStG (sog. Beiträge zur sog. Riesterrente) zuzüglich der dafür nach Abschnitt XI des EStG zustehenden Zulage jährlich bis zu 2.100 EUR als Sonderausgaben abziehen.
Das Finanzamt hat von Amts wegen die Zulage (einschließlich der Kinderzulage) mit der möglichen Steuerentlastung aufgrund des Sonderausgabenabzugs nach § 10a EStG zu vergleichen. Überschreitet diese Steuerentlastung die Zulage, ist der Abzug vorzunehmen und – um eine doppelte Begünstigung zu verhindern – die tarifliche Einkommensteuer um den Zulageanspruch zu erhöhen. Ist die Steuerentlastung eines möglichen Sonderausgabenabzugs hingegen geringer als die Zulage, verbleibt es bei der Zulage.
2. Wer entscheidet aber letztendlich über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 10a EStG: das örtliche FA oder die ZfA? Die Antwort des X. Senats lautet: Es ist das örtliche Finanzamt. Dieses hat im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung und der gesonderten Feststellung nach § 10a Abs. 4 EStG eigenverantwortlich zu gewährleisten, dass die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug des § 10a EStG erfüllt wurden.
3. Der ZfA werden zur Berechnung und Überprüfung der Zulage sowie der Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des Sonderausgabenabzugs nach § 10a EStG von den Anbietern die entsprechenden Daten übermittelt und von ihr automatisiert abgeglichen.
4. Ergibt die Überprüfung des ZfA eine Abweichung von dem in der Steuerfestsetzung berücksichtigten Sonderausgabenabzug nach § 10a oder der gesonderten Feststellung nach § 10a Abs. 4, ist dies von der ZfA gemäß § 91 Abs. 1 Satz 4 EStGdem Finanzamt mitzuteilen. Die Steuerfestsetzung oder die gesonderte Feststellung ist insoweit zu ändern. Eine rechtliche Bindung des FA an das Überprüfungsergebnis folgt daraus aber nicht.
5. Bei der Mitteilung der ZfA an das FA i.S.v. § 91 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 EStG handelt es sich nicht um einen Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 Satz 1 AO). Diese Mitteilung ist kein Verwaltungsakt, da es an einer Außenwirkung im Verhältnis zum Zulageberechtigten fehlt. Die ZfA teilt das Prüfungsergebnis lediglich dem FA mit. Es handelt sich damit um ein bloßes Verwaltungsinternum. Auch scheitert eine Qualifikation der Mitteilung nach § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG als Grundlagenbescheid an dem Vorliegen einer gesetzlichen Bestimmung i.S.d. § 179 Abs. 1 AO, die es ermöglicht, abweichend von § 157 Abs. 2 ...