Dr. Björn-Axel Dißars, Dr. Ulf-Christian Dißars
Leitsatz
Eine Änderung von Steuerbescheiden kann auch bei einem beiderseitigen Pflichtenverstoß erfolgen.
Sachverhalt
Der Kläger war Gesellschafter einer GbR, die Einkünfte aus der Vermietung eines Grundstücks erzielte. Im Streitjahr 2002 wurden dabei vom Finanzamt Darlehenszinsen in Höhe von 88 TEUR - wie in der Steuererklärung erklärt - als Werbungskosten anerkannt. Die Veranlagung erfolgte ohne Vorbehalt der Nachprüfung. In 2003 erklärte die GbR Darlehenszinsen in Höhe von 62 TEUR. Bei der Bearbeitung der Steuererklärung 2003 fiel dem Sachbearbeiter auf, dass die Zinsen 2002 und 2003 nicht gezahlt worden waren, sondern lediglich intern bei der Bank verbucht worden waren. Er änderte daraufhin den Bescheid 2002 nach § 173 AO, indem er die Zinsen nicht mehr als Werbungskosten anerkennt. Hiergegen setzte sich der Kläger im Einspruchs- und Klageverfahren zur Wehr.
Entscheidung
Die Klage wurde als unbegründet abgewiesen. Die Voraussetzungen des § 173 AO seien erfüllt, da eine Tatsache nachträglich bekannt geworden ist. Zwar habe hier das Finanzamt gegen seine Ermittlungspflicht verstoßen, da es Unklarheiten in der Steuererklärung 2002 nicht nachgegangen sei. Gleichzeitig habe aber auch der Kläger gegen seine Mitwirkungspflicht verstoßen, indem der Steuererklärung kein Zahlungsbeleg über die Zinsen beigefügt worden sei. Der Pflichtenverstoß des Steuerpflichtigen wiege dabei schwerer als der des Finanzamts, so dass eine Änderung hier zulässig sei.
Hinweis
Das Urteil beleuchtet Fallgestaltungen, in denen sowohl das Finanzamt als auch der Steuerpflichtige die jeweiligen Pflichten verletzt haben. Grundsätzlich kann aus Gründen von Treu und Glauben keine Korrektur nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO erfolgen, wenn das Finanzamt sich durch die Vornahme der Änderung zu seinem eigenen früheren Verhalten in Widerspruch setzen würde. Dies ist insbesondere der Fall, wenn es einen Ermittlungspflichten nicht in angemessener Weise nachgekommen ist. Etwas anderes kann sich allerdings wiederum ergeben, wenn auch der Steuerpflichtige seinen Pflichten nicht nachgekommen ist. Bei einem beiderseitigen Pflichtenverstoß hat nach der Rechtsprechung des BFH eine Abwägung zu erfolgen (BFH v. 10.4.1997, IV R 47/96, BFH/NV 1997, S. 757). Hierbei wird regelmäßig ein deutliches Überwiegen des Pflichtenverstoßes des Finanzamts gefordert, damit die Änderung unterbleiben muss (BFH v. 18.8.2010, X B 178/09, BFH/NV 2010, 2010). Ob dies zutreffend ist, erscheint mir fraglich, da kein wirklicher Grund ersichtlich ist, warum ein Pflichtenverstoß des Finanzamts anders zu würdigen ist, als der eines Steuerpflichtigen. Das FG des Saarlandes hat aber hier in jedem Fall entsprechend der Rechtsprechung des BFH entschieden. Insofern ist das Urteil nicht unerwartet.
Die Entscheidung ist rechtkräftig.
Link zur Entscheidung
FG des Saarlandes, Gerichtsbescheid vom 06.03.2012, 1 K 1032/10