Leitsatz
Die Erstellung ärztlicher Gutachten, die der Vorbereitung der Entscheidung eines Versicherungsträgers über die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit dienen sollen, ist auch dann nicht nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei, wenn in den Gutachten Möglichkeiten zur Rehabilitation geprüft werden.
Normenkette
§ 4 Nr. 14 UStG 1999, Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. C der 6. EG-RL
Sachverhalt
Ein Arzt erstellte u.a. Gutachten, die Grundlage für die Entscheidung des Rentenversicherungsträgers über die Gewährung von Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sein sollten (Rentengutachten). Das FA beurteilte sie als umsatzsteuerpflichtig.
Der Kläger meinte, sie seien umsatzsteuerfrei, weil rentenversicherungsrechtlich der Grundsatz "Rehabilitation vor Rente" gelte, und die Gutachten auch Grundlage einer Heil- oder Rehabilitationsbehandlung sein könnten.
Das FG (EFG 2006, 1378) bestätigte das FA.
Entscheidung
Der BFH wies die NZB als unbegründet zurück. Die Grundsätze seien bereits geklärt: Bestehe die Leistung in der Erstellung eines ärztlichen Gutachtens, um eine Entscheidung darüber vorzubereiten, ob ein Versicherter Anspruch auf Rente oder Rehabilitationsmaßnahmen hat, sei das Hauptziel nicht der Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit der Person, über die das Gutachten erstellt wird.
Unerheblich sei deshalb, dass die Erbringung der Leistung Anforderungen an die medizinische Kompetenz des Erbringers stellt und für den Arztberuf typische Tätigkeiten wie die körperliche Untersuchung des Patienten oder die Prüfung seiner Krankheitsgeschichte umfassen kann, wenn die Leistung – wie hier – nach ihrem Hauptzweck dazu diene, eine gesetzlich oder vertraglich vorgesehene Bedingung für die Entscheidung eines Anderen zu erfüllen.
Auch widerspreche die Belastung mit USt nicht – wie der Kläger meinte – dem Zweck, die Kosten ärztlicher Heilbehandlungen zu senken und den Einzelnen den Zugang zu diesen Leistungen zu erleichtern.
Hinweis
Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG befreit sind bei richtlinienkonformer Auslegung nur Tätigkeiten, die zum Zweck der Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen bei Menschen vorgenommen werden (Heilbehandlung).
Es reicht deshalb weder aus, dass eine Tätigkeit eine bestimmte heil- oder heilhilfsberufliche Ausbildung voraussetzt, noch dass der Unternehmer sich – wie z.B. bei ärztlichen Gutachten – derselben Methoden wie bei Heilbehandlungen bedient. Maßgebend ist – in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH – zunächst, dass es sich um eine Heilbehandlung handelt; entscheidend ist deshalb das Ziel der ärztlichen oder arztähnlichen Leistung.
Wird eine solche Leistung in einem Zusammenhang erbracht, der die Feststellung zulässt, dass ihr Hauptziel nicht der Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit ist, findet die Befreiung keine Anwendung.
Ein Gutachten, das einem Dritten lediglich eine Entscheidung ermöglichen soll, die gegenüber dem Betroffenen oder anderen Personen Rechtswirkungen erzeugt, ist keine Heilbehandlung. Ein mittelbarer Beitrag zum Schutz der Gesundheit des Betroffenen, etwa indem ein neues gesundheitliches Problem entdeckt oder eine frühere Diagnose berichtigt wird, reicht nicht aus.
Für Gutachten, ob eine bestimmte Heilbehandlung von der Versicherung übernommen wird oder nicht, dürfte nichts anderes gelten.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 31.7.2007, V B 98/06