1. Anwendungsbereich

 

1.1

§ 35 GewO gilt grundsätzlich für alle Betätigungen im stehenden Gewerbe, hierzu zählen auch handwerkliche Tätigkeiten im Sinne der Handwerksordnung. § 35 GewO ist nicht anzuwenden, wenn besondere Vorschriften bestehen (§ 35 Abs. 8 GewO); bei erlaubnisbedürftigen Gewerben (z.B. nach den §§ 30, 33a, 33c, 33d, 33i, 34, 34a, 34b und 34c GewO, § 2 GastG) wird die erteilte Zulassung bei Unzuverlässigkeit nach Art. 48, 49 BayVwVfG beziehungsweise nach § 15 GastG oder anderen Spezialvorschriften zurückgenommen oder widerrufen.

 

1.2

§ 35 GewO gilt nicht für Reisegewerbetreibende und für Teilnehmer am Marktverkehr. Die Reisegewerbekarte wird nach Art. 48, 49 BayVwVfG zurückgenommen oder widerrufen. Reisegewerbekartenfreie Tätigkeiten werden nach § 59 GewO untersagt.

Die Zurücknahme oder der Widerruf von Festsetzungen erfolgt aufgrund von § 69b Abs. 2 GewO in Verbindung mit Art. 48, 49 BayVwVfG. Die Teilnahme an festgesetzten Veranstaltungen kann unzuverlässigen Ausstellern oder Anbietern nach § 70a GewO untersagt werden.

Auf unzuverlässige, gewerblich tätige Veranstalter von Messen, Ausstellungen, Märkten und Volksfesten findet dagegen § 35 GewO Anwendung.

2. Allgemeine Voraussetzungen der Untersagung

 

2.1

Die Ausübung eines Gewerbes kann nur demjenigen untersagt werden, der die gewerbliche Betätigung bereits begonnen oder der wenigstens konkrete Vorbereitungshandlungen für eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit vorgenommen hat (vgl. BVerwG in GewArch 93, S. 156). Die Einleitung eines Untersagungsverfahrens ist aber auch möglich, wenn das Gewerbe zwar abgemeldet, aber nicht aufgegeben wurde. Auf eine Anzeige über Beginn oder Aufgabe des Gewerbes nach § 14 GewO kommt es nicht an; die Anzeige kann nur als Indiz gewertet werden.

 

2.2

Erlaubnispflichtige Gewerbe beziehungsweise Tätigkeiten im Sinne der Handwerksordnung können auch dann untersagt werden, wenn sie ohne die erforderliche Erlaubnis beziehungsweise entgegen den Vorschriften der Handwerksordnung betrieben werden, obwohl eine Unterbindung des jeweiligen Betriebs aufgrund des § 15 Abs. 2 GewO beziehungsweise des § 16 Abs. 3 HwO möglich wäre. Diese Maßnahmen haben andere Voraussetzungen und Auswirkungen als eine Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 GewO. So kann nach § 16 Abs. 3 HwO lediglich die Fortsetzung der Tätigkeit in einer bestimmten Betriebsstätte, nicht aber die Ausübung eines bestimmten Handwerks untersagt werden. Außerdem kann der Betroffene, sofern gegen ihn nur aufgrund des § 15 Abs. 2 GewO beziehungsweise des § 16 Abs. 3 HwO vorgegangen wird, das Gewerbe unverzüglich wieder beginnen, sobald er im Besitz der hierfür erforderlichen Erlaubnis oder Befähigung ist. Demgegenüber darf er ein ihm gem. § 35 Abs. 1 GewO untersagtes Gewerbe bis zu einer eventuellen Wiedergestattung nicht mehr selbständig ausüben, also auch dann nicht, wenn er zwischenzeitlich die erforderliche Erlaubnis oder Eintragung in die Handwerksrolle erlangt. Die Tatsache allein, daß ein erlaubnispflichtiges Gewerbe ohne Erlaubnis begonnen wurde, rechtfertigt eine Gewerbeuntersagung noch nicht. Nur wenn daneben noch weitere Gründe vorliegen, die eine Untersagung erfordern, ist von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Das gilt auch dann, wenn die Fortsetzung des Betriebes bereits aufgrund des § 15 Abs. 2 GewO bzw. § 16 Abs. 3 HwO verhindert beziehungsweise untersagt wurde.

3. Unzuverlässigkeit und Erforderlichkeit

Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO muß die Ausübung eines Gewerbes ganz oder teilweise untersagt werden, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Betriebes beauftragten Person in Bezug auf dieses Gewerbe dartun (Nr. 3.1), sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist (Nr. 3.2). Ein Ermessen besteht bei dieser Entscheidung nicht.

 

3.1

Unzuverlässigkeit

Unzuverlässig ist, wer nach dem Gesamtbild seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, daß er das von ihm ausgeübte Gewerbe ordnungsgemäß betreiben wird.

 

3.1.1

Nicht ordnungsgemäß ist die Gewerbeausübung durch eine Person, die nicht willens oder nicht in der Lage ist, die im öffentlichen Interesse zu fordernde einwandfreie Führung ihres Gewerbebetriebes zu gewährleisten. Im Hinblick auf den mit einer Gewerbeuntersagung verbundenen Eingriff in die Berufsfreiheit muß das zur Last Gelegte von erheblichem Gewicht sein. Eine Vielzahl kleinerer Verstöße rechtfertigt die Annahme der Unzuverlässigkeit jedoch dann, wenn daraus ein Hang zur Mißachtung der Berufspflichten erkennbar ist. Verletzungen zivilrechtlich begründeter Pflichten (z.B. ordnungsgemäße Vertragserfüllung) sind nur dann von Bedeutung, wenn dieses Verhalten zugleich auch im Interesse der Allgemeinheit bestehende Bestimmungen (z. B. des Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrechts) verletzt.

 

3.1.2

Als Tatsachen - bloße Vermutungen reichen nicht aus -, welche die Unzuverlässigkeit dartun, kommen Handlungen oder Unterlassungen oder auch Eigenschaften des Gewerbetreibenden beziehungsweise der mit der Leitung des Betriebes betrauten Personen in Betr...

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