Leitsatz
Eine Personengesellschaft, deren Gesellschafter als Bauleiter tätig sind, erzielt Einkünfte aus selbstständiger Arbeit, wenn ihre Gesellschafter die Berufsbezeichnung "Ingenieur" führen dürfen oder das von ihnen in der DDR absolvierte Studium demjenigen eines (Wirtschafts-)Ingenieurs entspricht.
Normenkette
§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
Klägerin ist eine GbR, deren beide Gesellschafter jeweils ein Studium in der DDR als "Diplom-Ingenieur-Ökonom" abgeschlossen haben. Im Streitjahr 1998 waren sie als Bauleiter für eine GmbH tätig, die Fertighäuser erstellte. Ihre Tätigkeit umfasste die Vorbereitung und Mitwirkung bei der Auftragsvergabe sowie die Objektüberwachung und Objektbetreuung einschließlich der Überwachung der Mängelbeseitigung.
Nach den Feststellungen des FG sind dies Tätigkeiten, die in der Verordnung über die Honorare für Leistungen der Architekten und Ingenieure (HOAI) festgelegt sind. Das FA stellte für die GbR gewerbliche Einkünfte fest. Die GbR hatte geltend gemacht, ihre Gesellschafter übten eine architekten- und ingenieurähnliche Tätigkeit aus. Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, dass die Gesellschafter keinen architektenähnlichen Beruf ausgeübt hätten.
Entscheidung
Der BFH hob das finanzgerichtliche Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Das FG habe nicht geprüft, ob die GbR als "Ingenieure" tätig seien. Das wäre der Fall, wenn die Gesellschafter, deren Tätigkeit als Bauleiter sich auf ein Hauptgebiet der Ingenieurtätigkeit erstreckte, zur Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" berechtigt wären oder wenn das in der DDR absolvierte Studium dem eines (Wirtschafts-)Ingenieurs entsprechen würde. Die tatsächlichen Feststellungen dafür müsse das FG nachholen.
Hinweis
1. Der Streitfall ist durch zwei Besonderheiten gekennzeichnet. Zum einen haben die Gesellschafter der GbR an einer Bergakademie in der früheren DDR ein Studium mit einem hier nicht üblichen akademischen Grad abgeschlossen ("Diplom-Ingenieur-Ökonom"). Zum anderen handelt es sich bei dem absolvierten Studium um ein sog. interdisziplinäres Studium.
Die Klägerin selbst ging deshalb davon aus, ihre Gesellschafter (und damit auch die GbR selbst) übten eine architekten- und ingenieurähnliche Tätigkeit aus. Das FG hat allerdings – offenbar weil die Gesellschafter als Bauleiter für eine Fertigbau-GmbH tätig waren – lediglich eine architektenähnliche Tätigkeit geprüft und diese verneint. Der BFH wiederum prüft – weil die Gesellschafter offensichtlich keine Ausbildung zum Architekten genossen haben – lediglich, ob der Katalogberuf "Ingenieur" oder eine diesem Beruf ähnliche Tätigkeit vorliegen könnte.
2. Ersteres wäre der Fall, wenn die Gesellschafter die Berufsbezeichnung "Ingenieur" führen dürften, was das FG im 2. Rechtsgang zu prüfen haben wird. Wer sich nach dem jeweils einschlägigen Landesgesetz "Ingenieur" nennen darf, verfügt über eine für eine Tätigkeit als Ingenieur notwendige Ausbildung (BFH, Beschluss vom 3.12.1981, IV R 79/80, BStBl II 1982, 267). Wird er dann auf einem Hauptgebiet des Ingenieurwesens tätig, was bei der Tätigkeit als Bauleiter im Allgemeinen anzunehmen ist (BFH, Urteil vom 5.10.1989, IV R 154/86, BStBl II 1990, 73), übt er den Ingenieurberuf aus.
3. Eine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit würden die Gesellschafter ausüben, wenn sie sich zwar nicht als "Ingenieur" bezeichnen dürfen, jedoch ihr DDR-Studium als "Diplom-Ingenieur-Ökonom" dem Studium des Wirtschaftsingenieurwesens entspricht.
Dieses interdisziplinäre Studium steht dem der Betriebswirtschaftlehre und des Ingenieurwesens gleich, weil es die Ausbildung zu zwei ausdrücklich in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Katalogberufen vereint. Wer nach einer solchen Ausbildung (oder nach dem Erwerb entsprechender Kenntnisse als Autodidakt) auf einem Hauptgebiet eines dieser Katalogberufe tätig wird, übt eine freiberufliche Tätigkeit aus.
Dementsprechend hat der BFH bereits früher entschieden, dass ein Steuerpflichtiger mit den Kenntnissen eines Wirtschaftsingenieurs, der Beratungsleistungen auf einem Hauptgebiet der Betriebswirtschaft erbringt, eine dem beratenden Betriebswirt ähnliche Tätigkeit ausübt (BFH, Urteil vom 28.8.2003, IV R 21/02, BFH-PR 2004, 44). Im Besprechungsfall, in dem die Gesellschafter der Klägerin als Bauleiter auf einem Hauptbereich des Ingenieurwesens tätig waren, wäre in vergleichbarer Weise eine dem Ingenieur ähnliche Tätigkeit anzunehmen. Ob der Studiengang in der DDR dem des Wirtschaftsingenieurs entspricht, wird das FG ebenfalls zu prüfen haben.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 6.9.2006, XI R 3/06