Leitsatz
1. Die Steuerbefreiung des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der 6. EG-RL – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist von der Rechtsform des Steuerpflichtigen, der die dort genannten ärztlichen oder arztähnlichen Leistungen erbringt, unabhängig.
2. Die Steuerbefreiung des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der 6. EG-RL erfasst Leistungen der Behandlungspflege durch eine einen ambulanten Pflegedienst betreibende Kapitalgesellschaft, die – auch als häusliche Leistungen – von qualifiziertem Krankenpflegepersonal erbracht werden, nicht aber Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung.
3. a) Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung, die körperlich oder wirtschaftlich hilfsbedürftigen Personen von einem ambulanten Pflegedienst erbracht werden, stellen eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen im Sinn von Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe g der 6. EG-RL dar.
b) Auf die Steuerbefreiung des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe g der 6. EG-RL kann sich ein Steuerpflichtiger vor einem nationalen Gericht berufen, um sich einer nationalen Regelung zu widersetzen, die mit dieser Bestimmung unvereinbar ist. Es ist Sache des nationalen Gerichts, anhand aller maßgeblichen Umstände zu bestimmen, ob der Steuerpflichtige eine als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtung im Sinn dieser Bestimmung ist.
Normenkette
Art. 13 Teil A Abs. 1 der 6. EG-RL , § 14 Nr. 14 UStG , § 14 Nr. 16 UStG
Sachverhalt
Eine gemeinnützige GmbH unterhielt vor 1992 einen ambulanten Pflegedienst (Behandlungspflege, Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung) für körperlich und wirtschaftlich hilfsbedürftige Personen. Für die Pflegeleistungen beanspruchte sie erfolglos die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 und § 16 Buchst. c UStG und berief sich – da die Befreiung für ambulante Pflegeleistungen erst 1992 eingeführt worden ist – insoweit auf die 6. EG-RL.
Der BFH hatte mit Beschluss vom 3.2.2000 zur Klärung eine Vorabentscheidung des EuGH eingeholt.
Entscheidung
Die für die Entscheidung des BFH vorgreiflichen Fragen zur Auslegung der 6. EG-RL hat der EuGH jetzt beantwortet. Der BFH kann jetzt den Fall entscheiden.
Hinweis
1. Scheint das deutsche UStG dem Begehren des Steuerpflichtigen entgegenzustehen, lohnt sich oft der Blick in die 6. EG-RL. Hier in einem Fall, in dem der Steuerpflichtige eine Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen eines privaten ambulanten Pflegedienstes geltend machte und darauf verwiesen wurde, vor 1992 habe das UStG eine solche Befreiung nicht vorgesehen.
In der 6. EG-RL sah das auch vor 1992 schon anders aus:
Art. 13 Teil A der 6. EG-RL enthält die gemeinschaftsrechtliche Grundlage für die Befreiungen der dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten. Hierzu gelten folgende Grundsätze:
(1) Es handelt sich um autonome Begriffe des Gemeinschaftsrechts, die im Gesamtzusammenhang mit der 6. EG-RL zu sehen sind; d.h. nationale Regelungen sind für die Auslegung der Tatbestandsmerkmalen der Richtlinie grundsätzlich nicht von Bedeutung, es sei denn, die Richtlinie erlaubt dies ausdrücklich oder sinngemäß (z.B. für die Frage, was eine "anerkannte" Einrichtung ist).
(2) Steuerbefreiungstatbestände sind grundsätzlich eng auszulegen.
(3) Entscheidend ist die Art der erbrachten Leistungen; die Rechtsform spielt – wenn nicht ausdrücklich in der 6. EG-RL angesprochen – keine Rolle.
(4) Die Steuerbefreiung für ärztliche Leistungen bezweckt, die Kosten ärztlicher Heil behandlung zu senken.
2. Für die Beurteilung ambulanter Pflegeleistungen muss man 3 Tätigkeitsfelder unterscheiden: Behandlungspflege, Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung. Die Richtlinie enthält in Art. 13 Teil A neben anderen Befreiungen u.a.
Die abschließende Regelung der Steuerbefreiung für Heilbehandlungen in und außerhalb von Krankenhäusern (Abs. 1 Buchst. b und c.), nämlich
- (Buchst. b): Leistungen, die aus einer Gesamtheit von ärztlichen Heil behandlungen bestehen, die i.d.R. ohne Gewinnerzielungsabsicht von Einrichtungen mit sozialer Zweckbestimmung erbracht werden, d.h. Heilbehandlungen in Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen.
- (Buchst c): Leistungen ( Heil behandlungen), die außerhalb von Krankenanstalten im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses zwischen Patient und Behandelndem i.d.R. in dessen Praxisräumen ggf. auch der Wohnung des Patienten oder einem andern Ort erbracht werden.
3. Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin sind nur medizinische Leistungen mit dem Ziel der Diagnose, der Behandlung und der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen. Leistungen ohne dieses therapeutische Ziel sind nicht befreit. Nur die Behandlungspflege fällt also unter diese Befreiung.
Beachten Sie: Zur Frage, was ist eine Heilbehandlung, sind noch zwei Verfahren beim EuGH anhängig. An der geschilderten Auslegung dürfte sich m.E. nichts ändern. Dennoch sollten Sie entsprechende Fälle offen halten.
4. Für die Grundpflege u...