Leitsatz

1. Umsätze einer GmbH, die mit angestelltem qualifiziertem Krankenpflegepersonal Behandlungspflegeleistungen erbringt, sind nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei.

2. In den Jahren 1988 bis 1990 ausgeführte Umsätze einer GmbH durch Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung gegenüber pflegebedürftigen Personen sind nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der 6. EG-RL steuerfrei, wenn die GmbH als Einrichtung mit sozialem Charakter anzuerkennen ist.

 

Normenkette

§ 4 Nr. 14 UStG , § 16 UStG , § 18 UStG , Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b, c, g der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine gemeinnützige Körperschaft, unterhielt einen ambulanten Pflegedienst und begehrte die Steuerbefreiung § 4 Nr. 14 oder Nr. 16 UStG – ohne Erfolg. FA und FG meinten, eine juristische Person erfülle die Merkmale für eine freiberufliche Tätigkeit im Streitjahr 1991 (noch) nicht.

 

Entscheidung

Der BFH verwies die Sache zurück, weil das FG keine ausreichenden Feststellungen zur Prüfung der in den Praxis-Hinweisen genannten Kriterien getroffen hatte.

 

Hinweis

Die Besprechungsentscheidung ist die Nachfolgeentscheidung zum EuGH, Urteil vom 10.9. 2002, Rs. C-141/00 – Ambulanter Pflegedienst Kügler GmbH –, BFH-PR 2003, 29. Das sind die richtlinienkonformen Grundsätze:

1. Die Krankenpflegeleistungen

Die Verweisung in § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG auf § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG bezieht sich bei richtlinienkonformer Auslegung nur auf die Beurteilung der Art der Tätigkeiten, nicht aber auf die Qualifikation der Einkünfte, insbesondere nicht auf die ertragsteuerrechtliche Qualifikation, dass eine sog. Freiberufler-Kapitalgesellschaft stets gewerbliche Einkünfte erzielt und nicht unter § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG fällt.

Die Steuerbefreiung in § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG kann auch von einer Personen- oder einer Kapitalgesellschaft beansprucht werden.

§ 4 Nr. 14 UStG umfasst richtlinienkonform keine medizinischen Eingriffe, die zu einem anderen Zweck als dem der Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen vorgenommen werden. Erfasst werden nur Heilbehandlungen, die außerhalb von Krankenanstalten im Rahmen der Ausübung der "ärztlichen und arztähnlichen Berufe" – so ausdrücklich die 6. EG-RL und EuGH – zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose oder Therapie erbracht werden, nicht aber sonstige, die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung betreffende Tätigkeiten.

Nicht examinierte Pflegekräfte sind i.d.R. keine "qualifizierten" Personen – die 6. EG-RL verlangt die Zugehörigkeit zu einem "von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe".

Das Fehlen einer berufsrechtlichen Regelung – z.B. in einem Bundesland – ist für sich gesehen kein Hinderungsgrund für die Befreiung der Leistungen; die Zulassung des jeweiligen Unternehmers bzw. die regelmäßige Zulassung seiner Berufsgruppe gem. § 124 Abs. 2 SGB V durch die zuständigen Stellen der gesetzlichen Krankenkassen ist ausreichendes Indiz für das Vorliegen einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit.

2. Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung

Diese sind, selbst wenn sie von "qualifiziertem Krankenpflegepersonal" ausgeführt und pflegebedürftigen Personen zugewendet werden, keine steuerfreien Heilbehandlungen i.S.v. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-RL und nicht nach § 4 Nr. 14 UStG steuerbefreit.

Dennoch kann der Unternehmer die Steuerfreiheit beanspruchen: Diese Leistungen sind zwar noch nicht nach § 4 Nr. 16 UStG 1980 in der bis 1991 geltenden Fassung steuerfrei. Erst durch das StÄndG 1992 wurde § 4 Nr. 16 UStG 1991 mit Wirkung zum 1.1.1992 erweitert. Der Steuerpflichtige kann sich bis 1991 jedoch auf die günstigere Regelung in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der 6. EG-RL berufen. Danach befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer (g) "die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen der Altenheime, durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen".

a) Art der Leistungen

Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung, die körperlich oder wirtschaftlich hilfsbedürftigen Personen von einem ambulanten Pflegedienst erbracht werden, sind grundsätzlich mit der sozialen Hilfe verbunden. Für die Qualifikation der Pflegekräfte sind bei der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung geringere Anforderungen als für die Behandlungspflege zu stellen. Es reicht aus, wenn die Pflegekraft geeignet ist, die erforderlichen Leistungen zu erbringen.

b) Einrichtung mit sozialem Charakter

§ 4 Nr. 14 UStG bezweckt die Entlastung der Sozialversicherungsträger (u.a. die öffentlich-rechtlichen Krankenkassen, vgl. dazu § 4 SGB V) von der Umsatzsteuer.

Die Anerkennung eines Unternehmers als eine Einrichtung mit sozialem Charakter kann deshalb abgeleitet werden aus der tatsächlichen oder grundsätzlich möglichen Übernahme der Kosten für ...

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