Das Kriterium der Drittbezogenheit bzw. des Drittschutzes der Amtspflicht ist das maßgebliche Kriterium, mithilfe dessen die Risikosphären der öffentlichen Hand und des geschädigten Bürgers voneinander abgegrenzt werden. Amtspflichten bestehen zunächst im Interesse des Staates und der Allgemeinheit. Nicht jede objektive Amtspflichtverletzung führt zu einem Schadenersatzanspruch des Geschädigten, da eine umfassende und uneingeschränkte Amtspflicht zu einer uferlosen Ausweitung der Staatshaftung führen würde. Die verletzte Amtspflicht muss vielmehr drittbezogen sein, d. h. sie muss nicht nur im Interesse der Allgemeinheit, sondern zumindest auch dem Geschädigten gegenüber bestehen und seinem Schutz dienen. Das Gegenstück hierzu bilden allgemeine Amtspflichten im staatlichen Interesse. Der Dritte fällt dann in den Schutzbereich der verletzten Amtspflicht, wenn er sich von der Allgemeinheit unterscheidet, zu deren Schutz die Norm gerade auch besteht. Es reicht nicht aus, dass jemand infolge eines Amtspflichtverstoßes (nur) nachteilig in seinen Belangen betroffen ist. Die Drittbezogenheit besteht nur, wenn zwischen Staat und Bürger (dem betroffenen Steuerpflichtigen) aufgrund der Amtspflicht(en) ein besonderes Näheverhältnis besteht. Sie ist nicht der Regelfall, sondern muss stets konkret dargestellt und festgestellt werden. Der Schutzzweck ist sowohl durch Auslegung der rechtlichen Bestimmungen, die für die fragliche Amtspflicht maßgeblich sind, als auch anhand der Natur des Amtsgeschäfts zu bestimmen. Daher ist die Rechtsprechung zur Drittbezogenheit auf Einzelfälle bezogen. Sie stellt sich somit als Korrektiv dar, mit dem unbillige Ergebnisse vermieden werden sollen.
Drittbezogenheit der Amtspflicht
Die Drittbezogenheit einer Amtspflicht liegt vor, wenn
- die verletzte Amtspflicht drittschützende Wirkung hat (allgemeine Drittbezogenheit),
- der Geschädigte zum geschützten Personenkreis gehört (persönlicher Individualschutz) und
- die verletzte Amtspflicht den Schutz des beeinträchtigten Interesses bzw. Rechtsguts bezweckt (sachlicher Individualschutz).
Annahme der Drittbezogenheit einer Amtspflicht
Die Drittbezogenheit einer Amtspflicht ist immer anzunehmen, wenn ein Eingriff in ein von § 823 Abs. 1 BGB geschütztes Rechtsgut (z. B. Freiheit, Eigentum) vorliegt.
3.3.1 Allgemeine Drittbezogenheit
Die Amtspflicht bezweckt den Schutz Dritter, wenn sie nicht ausschließlich den Interessen der Allgemeinheit, des Staats oder dem öffentlichen Wohl zu dienen bestimmt ist, sondern zumindest auch die Wahrnehmung und Förderung der Interessen des Einzelnen oder eines abgeschlossenen Personenkreises bezweckt. Man kann von einer Sonderbeziehung zwischen dem Amtswalter und dem Geschädigten sprechen.
3.3.2 Persönlicher Individualschutz
Der Geschädigte muss dem geschützten Personenkreis angehören, d. h. Dritter i. S. d. Art. 34 Satz 1 GG sein und durch die Amtspflichtverletzung in seinem Rechtskreis betroffen werden. Es ist zunächst zu ermitteln, welchen Personenkreis die Amtspflicht schützt. In einem weiteren Schritt ist zu prüfen, ob der Geschädigte zu diesem Personenkreis gehört.
3.3.3 Sachlicher Individualschutz
Um den sachlichen Individualschutz bejahen zu können, ist erforderlich, dass die verletzte Amtspflicht bezweckt, den Betroffenen vor dem konkret eingetretenen Schaden zu bewahren.
3.3.4 Drittbezug bei Rechtsetzungsmaßnahmen
Abgeordnete sind zu recht- und gesetzmäßigem Handeln verpflichtet, d. h. sie müssen das Grundgesetz beachten und dürfen keine verfassungswidrigen formellen Gesetze ...