Leitsatz
1. Die Anforderung unter anderem von Mietverträgen durch das Finanzamt (FA) beim Vermieter (Steuerpflichtigen) nach § 97 der Abgabenordnung muss die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) beachten.
2. Eine Einwilligung der Mieter in die Weitergabe an das FA ist nicht erforderlich, weil die Verarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c DSGVO gerechtfertigt ist.
3. Die Übersendung der Mietverträge an das FA ist als Zweckänderung nach Art. 6 Abs. 4 DSGVO regelmäßig zulässig.
Normenkette
§ 93, § 97 AO, Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c, Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e, Art. 6 Abs. 4 DSGVO
Sachverhalt
Die Klägerin erklärte Einkünfte aus VuV. Im Rahmen der Bearbeitung der Steuererklärungen forderte das FA Kopien der aktuellen Mietverträge, Nebenkostenabrechnungen sowie Nachweise über geltend gemachte Erhaltungsaufwendungen an. Die Klägerin legte eine Aufstellung der Brutto- und Nettomieteinnahmen mit geschwärzten Namen der Mieter sowie der Betriebskosten für die verschiedenen Wohnungen und Unterlagen über die Instandhaltungsaufwendungen vor, jedoch nicht die angeforderten Mietverträge und Nebenkostenabrechnungen. Die Offenlegung dieser Unterlagen sei nach der DSGVO ohne vorherige Einwilligung der Mieter nicht möglich. Außerdem sei das FA zur Anforderung der Unterlagen nicht berechtigt, weil diese zur Prüfung der tatsächlichen Einkünfte untauglich seien. Nach weiteren Aufforderungen des FA legte die Klägerin Einspruch ein, den das FA als unbegründet zurückwies. Die Klage hatte keinen Erfolg (FG Nürnberg, Urteil vom 1.2.2023, 3 K 596/22, Haufe-Index 15634065, EFG 2023, 604).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision der Klägerin aus den sich aus den Praxis-Hinweisen ergebenden Gründen zurückgewiesen.
Hinweis
Im Streitfall wehrt sich die Klägerin, eine Vermieterin, u. a. gegen eine Aufforderung des FA, die vollständigen Mietverträge vorzulegen und beruft sich im Kern auf die Datenschutzrechte ihrer Mieter.
1. Nach § 97 Abs. 1 Satz 1 AO haben die Beteiligten und andere Personen dem FA auf Verlangen Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen. Die Vorlage von Urkunden unterliegt dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, d. h. sie muss zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und die Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar sein.
2. Die Mietverträge benötigte das FA zur Kontrolle der steuererheblichen Verhältnisse der Klägerin. Denn aus ihnen ergeben sich (ggf. im Zusammenspiel mit anderen Unterlagen) u. a. die Höhe der vereinbarten Mietzinsen, Mieterhöhungen, Abweichungen zu tatsächlich geleisteten Zahlungen, die Zusammensetzung des Mietzinses, die Umlagefähigkeit von Nebenkosten, der Umfang des Nutzungsrechts und die tatsächliche Durchführung der Vermietung. Die Namen der Mieter sind erforderlich, um das Vorliegen eines Angehörigenmietverhältnisses (§ 15 AO) aufklären zu können. Schließlich muss das FA bei Unklarheiten in der Lage sein, die Mieter als "andere Person" befragen zu können.
Der Klägerin war die Offenlegung der Mieterdaten nicht deshalb unmöglich, weil darin eine rechtswidrige Verarbeitung i. S. d. Art. 6 Abs. 1 DSGVO zu sehen ist. Darauf hat sich die Klägerin berufen, weil eine Einwilligung ihrer Mieter in die Weitergabe der Daten an das FA nicht vorlag. Eine Einwilligung der Mieter war jedoch gar nicht erforderlich. Denn die Klägerin war nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c, Abs. 2 DSGVO i. V. m. § 29b Abs. 1, § 97 AO zur Offenlegung der personenbezogenen Daten ihrer Mieter berechtigt. Nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c DSGVO ist eine Verarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, welcher der Verantwortliche unterliegt. Diese rechtliche Verpflichtung der Klägerin ergab sich aus § 97 AO.
3. Der BFH hat die im Streitfall gegebene Zweckänderung nach Art. 6 Abs. 4 DSGVO für zulässig erachtet.
Eine Zweckänderung lag vor, weil die Klägerin die Daten ihrer Mieter zum Zweck der Durchführung der Mietverträge verarbeitet hatte (Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b DSGVO).
4. Auch soweit die Klägerin meinte, sie mache sich mit der Weitergabe der Informationen strafbar, folgte der BFH dem nicht. Dieser Vorwurf konnte sich allenfalls auf § 42 BDSG beziehen, der allerdings nicht einschlägig war. § 42 Abs. 1 BDSG betrifft die rechtswidrige Übermittlung oder Zugänglichmachung von Daten einer großen Zahl von Personen an Dritte, die gewerbsmäßig erfolgt. § 42 Abs. 2 BDSG betrifft Fälle, in denen eine unberechtigte Verarbeitung von personenbezogenen Daten erfolgt oder sich jemand die Daten durch unrichtige Angaben erschleicht und dabei im Einzelfall gegen Entgelt oder in Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht handelt. Diese Tatbestandsvoraussetzungen waren offensichtlich nicht gegeben.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 13.8.2024 – IX R 6/23