Leitsatz
Die Fertigung von Monatsabschlüssen eines Unternehmens als Grundlage für die Prüfung von dessen Kreditwürdigkeit stellt in der Regel keine Tätigkeit auf dem Gebiet der von den Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern dar, wie sie als Voraussetzung für die Bestellung des Leiters einer Beratungsstelle eines Lohnsteuerhilfevereins verlangt wird.
Normenkette
§ 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StBerG
Sachverhalt
A möchte Leiterin der Beratungsstelle eines Lohnsteuerhilfevereins werden. Bei ihrer vorangegangenen Berufstätigkeit war sie zu einem wesentlichen Teil mit der Fertigung von Monatsabschlüssen zur Vorlage bei den Banken ihres in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratenen Arbeitgebers befasst. Der damit verbundene Aufwand, so wurde geltend gemacht, sei aufgrund der Bewertung des Inventars dem für einen Jahresabschluss erforderlichen gleichgekommen.
Die OFD lehnte jedoch den Antrag auf Eintragung als Beratungsstellenleiterin ab; A besitze nicht die notwendige persönliche Qualifikation. Denn sie sei nicht in ausreichendem Umfang auf dem Gebiet der Steuern tätig gewesen; die von ihr gefertigten Monatsabschlüsse könnten als eine solche Tätigkeit nicht berücksichtigt werden, denn sie hätten keinen steuerlichen, sondern einen betriebswirtschaftlichen Charakter gehabt.
Entscheidung
Der BFH teilt diese Ansicht. Die Fertigung von Monatsabschlüssen sei keine Tätigkeit auf dem Gebiet der von den Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern. Der BFH begründet diese weitgehend auf tatsächlichem Gebiet liegende – als solche an sich dem Tatrichter vorbehaltene – Feststellung mit einer Erfahrungsregel: Ein Monatsabschluss werde üblicherweise nicht zu einem steuerrechtlichen Zweck erstellt und entspreche deshalb nicht den an einen Jahresabschluss (Vermögensübersicht) i.S.v. § 4 EStG gestellten Anforderungen, die sich aus den Steuergesetzen ergeben; nur bei Erstellung des Jahresabschlusses sind spezielle steuerrechtliche Bewertungsregeln und dergleichen anzuwenden, deren Anwendung bei einem betriebswirtschaftlich notwendigen Monatsabschluss dessen Zweck (Beurteilung der Kreditwürdigkeit des Unternehmens) gerade zuwiderlaufen würde.
Der BFH hebt sodann hervor, dass das FG (welches zu einer gegenteiligen Würdigung gelangt war) im Streitfall keine konkreten Feststellungen getroffen habe, die seine Schlussfolgerung rechtfertigen könnten, A habe bei den Monatsabschlüssen in wesentlichem Umfang steuerrechtliche Vorschriften angewandt.
Hinweis
1. Die Bestellung als Leiter der Beratungsstelle eines Lohnsteuerhilfevereins setzt voraus, dass die betreffende Person eine Abschlussprüfung in einem kaufmännischen Ausbildungsberuf bestanden hat oder eine andere gleichwertige Vorbildung besitzt und nach Abschluss der Ausbildung drei Jahre in einem Umfang von mindestens 16 Wochenstunden auf dem Gebiet der von den Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern praktisch tätig gewesen ist (§ 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StBerG). Bis zum 7. StBÄndG reichte eine "hauptberufliche" praktische Tätigkeit aus, jetzt wird eine praktische Tätigkeit in einem Umfang von mindestens 16 Wochenstunden verlangt. Damit wird deutlich, dass die praktische Tätigkeit in diesem Umfang auf dem Gebiet der von den Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern erbracht worden sein muss; allein die Stellung der betreffenden Person als Leiter des Rechnungswesens eines Betriebs genügt nicht (mehr).
2. Die betreffende Tätigkeit muss sich auf den Kernbereich der Berufstätigkeit des späteren Steuerberaters beziehen; Tätigkeiten auf den Randgebieten des Steuerrechts reichen nicht aus.
3. Die Feststellung von Tatsachen und deren zusammenfassende Würdigung ist Aufgabe des FG; sie wird vom BFH aber daraufhin überprüft, ob die Feststellungen des FG "möglich" sind, d.h. ob nach den festgestellten Einzeltatsachen die tatsächlichen Schlussfolgerungen des FG nachvollziehbar (wenn auch möglicherweise nicht zwingend) sind. Dabei spielen als Kriterien neben den Denkgesetzen (Verbot in sich widersprüchlicher Feststellungen) allgemeine Erfahrungssätze eine wichtige Rolle. Geht das FG von einem nach der Lebenserfahrung ungewöhnlichen Sachverhalt aus, muss es dafür im Einzelfall hinreichend gewichtige Anhaltspunkte haben.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 8.1.2003, VII R 37/02