Dr. Birger Brandt, Prof. Jürgen Brandt
Leitsatz
1. § 11 Abs. 3 Satz 1 GewStG verweist u.a. auf die durch § 2 Abs. 2 und 6 HAG legaldefinierten Begriffe des "Hausgewerbetreibenden" und der "fremden Hilfskräfte".
2. "Fremde Hilfskräfte" (§ 2 Abs. 6 HAG) des Hausgewerbetreibenden sind alle, aufgrund von Arbeitsverträgen – auch aushilfsweise –, bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer einschließlich solcher, die nahe Angehörige i.S.v. § 2 Abs. 5 Buchst. a bis c HAG sind und mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben (entgegen BFH, Urteil vom 4.10.1956, V 96/56 S, BStBl III 1956, 343).
Normenkette
§ 11 Abs. 2 und 3 Satz 1 GewStG , § 2 HAG
Sachverhalt
Der Kläger betrieb eine Poliererei, in der für verschiedene Unternehmen teilfertige chirurgische Instrumente poliert und sodann an die Auftraggeber zurückgeliefert wurden. Der Kläger arbeitete in seinem Betrieb "am Stück" (vgl. § 2 Abs. 2 HAG) mit und beschäftigte als Hilfskräfte u.a. seine Ehefrau und zwei Söhne als Teilzeitkräfte aufgrund von Arbeitsverträgen.
Das FA stufte den Kläger nicht als Hausgewerbetreibenden ein, weil die Höchstzahl von zwei "fremden Hilfskräften" durchgehend überschritten worden sei. "Fremde Hilfskräfte" seien auch gegen Entgelt beschäftigte Familienangehörige. Das FG hat der dagegen gerichteten Klage stattgegeben.
Entscheidung
Nach Auffassung des BFH konnte der Kläger schon nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 6 HAG nicht als Hausgewerbetreibender angesehen werden, weil danach "fremde Hilfskräfte" ohne Ausnahme – also unter Einschluss auch naher Angehöriger – alle diejenigen Personen sind, die als Arbeitnehmer beschäftigt werden. Auch aus § 2 Abs. 5 HAG lasse sich nicht herleiten, dass die dort im Einzelnen aufgeführten nahen Angehörigen ausgenommen seien, wenn diese in einem Arbeitsverhältnis zum Steuerpflichtigen stünden, selbst wenn sie mit dem Betriebsinhaber in häuslicher Gemeinschaft lebten.
Denn diese Arbeitsverhältnisse begründeten zwischen den Beteiligten im Wesentlichen dieselben Rechte und Pflichten und unterstünden denselben arbeitsrechtlichen Regeln wie diejenigen Arbeitsverhältnisse, die der Steuerpflichtige mit Fremden eingehe (vgl. BVerfG-Urteil vom 24.1.1962 1 BvL 32/57, BStBl I 1962, 492, 495). Schließlich widerspräche es auch dem Gebot der Wettbewerbsgleichheit und damit Art. 3 Abs. 1 GG, Hausgewerbetreibende, die dauerhaft mehr als zwei Arbeitnehmer beschäftigen, einer unterschiedlichen Gewerbesteuerbelastung zu unterwerfen, je nachdem, ob es sich bei den im Betrieb des Steuerpflichtigen eingesetzten Arbeitnehmern um nahe, mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebende Angehörige oder um andere Personen handle.
Hinweis
1. Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 GewStG ermäßigen sich bei Hausgewerbetreibenden und ihnen nach § 1 Abs. 2 Buchst. b und d HAG gleichgestellten Personen die in § 11 Abs. 2 GewStG festgelegten Steuermesszahlen für den Gewerbeertrag auf die Hälfte. Hausgewerbetreibender ist, "wer in eigener Arbeitsstätte (eigener Wohnung oder Betriebstätte) mit nicht mehr als zwei fremden Hilfskräften (Abs. 6) oder Heimarbeitern (Abs. 1) im Auftrag von Gewerbetreibenden oder Zwischenmeistern Waren herstellt, bearbeitet oder verpackt, wobei er selbst wesentlich am Stück mitarbeitet, jedoch die Verwertung der Arbeitsergebnisse dem unmittelbar oder mittelbar auftraggebenden Gewerbetreibenden überlässt". "Fremde Hilfskräfte" i.S.d. § 2 Abs. 6 HAG sind diejenigen, die "als Arbeitnehmer eines Hausgewerbetreibenden oder nach § 1 Abs. 2 Buchst. b und c Gleichgestellten in deren Arbeitsstätte beschäftigt sind". Dazu rechnen nicht nur vollzeitbeschäftigte, sondern auch aushilfsweise beschäftigte Arbeitnehmer (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 1987, 719), zu denen nach Auffassung des BFH auch die vom Kläger aufgrund von Arbeitsverträgen beschäftigten nahen Angehörigen (Ehefrau und Söhne) zu zählen sind.
2. Im Betrieb mithelfende und mit dem Gewerbetreibenden in Haushaltsgemeinschaft lebende Angehörige können aufgrund dieser Entscheidung nur dann nicht den "fremden Hilfskräften" zugerechnet werden, wenn sie ihre Dienste auf familienrechtlicher Grundlage und nicht aufgrund eines Arbeitsvertrags erbringen.
3. Der Senat konnte von dem Urteil des V. Senats in BStBl III 1956, 343 ohne Anfrage an den V. Senat nach § 11 Abs. 3 FGO entscheiden, weil dieser Senat mit der streitigen Rechtsfrage wegen Wegfalls der §§ 4 Nr. 18 UStG 1951 und 44 UStDB 1951 im Jahr 1968 nicht mehr befasst werden kann.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 26.2.2002, X R 61/99