Leitsatz
Finanzgerichte sind bei der Beurteilung von verdeckten Gewinnausschüttungen bei Bezügen von Gesellschafter-Geschäftsführern von GmbH nicht an "Nichtaufgriffsgrenzen" der Finanzverwaltung gebunden. Statt dessen ist die Angemessenheit der Bezüge anhand interner Daten bzw. eines externen Betriebsvergleichs zu bestimmen.
Sachverhalt
Eine im Januar 1999 gegründete, im Bereich der Partnervermittlung tätige GmbH zahlte ihren beiden zu je 50 % beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführern ab 1. April monatliche Gehälter von jeweils 20.000 DM, gleich hohes Weihnachtsgeld und 10.000 DM Urlaubsgeld. Zudem hatte jeder Geschäftsführer Anspruch auf eine Gewinntantieme von 15 %. Schon im Februar 1999 wurde auf die Sonderzahlungen verzichtet, im Dezember 1999 das jeweilige Bruttogehalt auf 10.000 DM reduziert. Im Streitjahr 1999 erzielte die GmbH einen Umsatz von ca. 1,1 Mio. DM und einen Jahresüberschuss von 431 DM. Vom Personalaufwand von 391.743 DM entfielen 361.044 DM auf die Geschäftsführung. Das Finanzamt sah nur Gesamtbezüge von 90.000 DM je Gesellschafter-Geschäftsführer als angemessen an.
Entscheidung
Das FG folgte der Auffassung des Finanzamts. Maßstäbe für die Prüfung der Angemessenheit der Geschäftsführerbezüge sind einerseits betriebsinterne Daten - Ertragsaussichten der GmbH, Verhältnis von Geschäftsführergehalt zum Gesamtgewinn, verbleibende Kapitalverzinsung -, andererseits Bezüge von Fremdgeschäftsführern, die Gehaltsstrukturuntersuchungen entnommen werden können. Interne Daten und Fremdvergleich belegen, dass die Geschäftsführerbezüge zumindest im vom Finanzamt angenommenen Umfang unangemessen waren.
Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter hätte die Geschäftsführer bei einer Umsatzerwartung von 1 Mio. DM nicht mit 40.000 DM monatlich (fast 50 % des Umsatzes) ausgestattet. Unter Dritten wären die Bezüge niedriger angesetzt und erst nach Realisierung des Umsatzes angehoben worden. Eine "gemäßigte" Grundausstattung hätte auch um eine Gewinntantieme ergänzt werden können. Für eine überhöhte Ausstattung sprach auch das Verhalten der GmbH, die Sonderzahlungen außer Kraft zu setzen und die Bezüge auf Werte zu reduzieren, die das Finanzamt als angemessen ansah.
Der Fremdvergleich anhand von Gehaltsstrukturuntersuchungen führt zum gleichen Ergebnis. Laut Studie der BBE-Unternehmensberatung für 1999 ergibt sich bei Fremdgeschäftsführern ein Mittelwert von 141.508 DM für die Geschäftsführung. Bei Umsätzen bis 2 Mio. DM liegt der Mittelwert bei 120.936 DM. Ein branchenbezogener Vergleich fällt bei der GmbH als Dienstleistungs- und Vertriebsunternehmen schwer. Bei reinen Dienstleistern betrug der Mittelwert 160.400 DM, wobei die geringe Umsatz- und Ertragskraft der GmbH, die Beteiligung der Geschäftsführer und die Zahl der Geschäftsführer zu deutlichen Abschlägen führen müssen. So verzeichnet die BBE-Studie unter Berücksichtigung der Umsatzrendite "bis 2 Prozent" einen Mittelwert von 141.942 DM. Das Finanzamt hat aber für die Geschäftsführung Bezüge von insgesamt 240.000 DM als angemessen angesehen.
Das FG ist nicht an Verwaltungsanweisungen gebunden, die bei der Beurteilung von verdeckten Gewinnausschüttungen bei Geschäftsführer-Bezügen "Nichtaufgriffsgrenzen" vorgeben.
Hinweis
Das FG liegt mit seiner Entscheidung weitgehend auf der Linie der neueren Rechtsprechung des BFH. Auch der BFH akzeptiert den Einsatz von Gehaltsstrukturuntersuchungen bei der Prüfung der Angemessenheit, sofern hinreichend aussagefähige Vergleichswerte vorliegen (BFH, Urteil v. 10.7.2002, I R 37/01, BStBl 2003 II S. 418). Fehlen Vergleichswerte, so ist ein hypothetischer Fremdvergleich anzustellen. Der BFH (BFH, Urteil v. 4.6.2003, I R 38/02, INF 2003 S. 807) geht allerdings anders als das FG nicht von Mittelwerten aus, sondern kommt zu dem Ergebnis, dass unangemessen nur die Teile der Vergütung sind, die den oberen Rand der Bandbreite des Angemessenen übersteigen.
Berücksichtigt werden auch die Einschränkungen, die der BFH bei der Bestellung von mehreren Geschäftsführern einer kleinen GmbH vornimmt. In diesem Fall müssen gegebenenfalls Vergütungsabschläge vorgenommen werden, die von den unterschiedlichen Aufgabenstellungen, der zeitlichen Beanspruchung und der für die GmbH zu tragenden Verantwortung abhängen. Dazu hat das FG jedoch keine Feststellungen getroffen.
Auch bei einer kleineren GmbH geht der BFH nicht pauschal von Vergleichswerten aus, die sich für einen Geschäftsführer ergeben, sondern fordert eine am Einzelfall orientierte Betrachtung.
Link zur Entscheidung
FG des Saarlandes, Urteil vom 03.12.2003, 1 K 204/02