Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Die verdeckte Gewinnausschüttung führt bei dem Anteilseigner regelmäßig zu Einnahmen aus der Kapitalbeteiligung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG, bei Körperschaften nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 – 5 KStG zu Einnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG. Ist der Anteilseigner eine Privatperson, erfolgt die Erfassung bei Zufluss nach § 11 EStG. Für verdeckte Gewinnausschüttungen gilt nach § 32d Abs. 2 Nr. 4 EStG nicht die Abgeltungsteuer. Vielmehr erfolgt die Besteuerung nach dem Teileinkünfteverfahren.
Für Einkünfte aus Gewinnausschüttungen, die keine verdeckten Gewinnausschüttungen sind, kann der Anteilseigner nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a EStG den Antrag stellen, dass § 32d EStG nicht anzuwenden ist, wenn die Beteiligung unmittelbar oder mittelbar mindestens 25 % beträgt. Kann der Gesellschafter durch seine berufliche Tätigkeit maßgebenden unternehmerischen Einfluss auf die wirtschaftliche Tätigkeit der Kapitalgesellschaft ausüben, genügt für den Antrag nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b EStG bereits eine Beteiligung von 1 %. Dies betrifft insbesondere Gesellschafter-Geschäftsführer, die für die Stellung des Antrags daher nicht beherrschend sein müssen. Liegen die Voraussetzungen für den Antrag nicht vor oder wird der Antrag nicht gestellt, erfolgt die Besteuerung bei dem Anteilseigner unter Anwendung des § 32d Abs. 1 EStG. Wird der Antrag gestellt, erfolgt die Besteuerung nach dem Teileinkünfteverfahren.
Der Antrag ist nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 S. 4 EStG spätestens mit der ESt-Erklärung zu stellen. Kennt der Stpfl. die Antragsfrist und stellt er keinen Antrag, kann keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO erfolgen.
Eine besondere Situation besteht bei Zinsen, die der Gesellschafter von der Kapitalgesellschaft erhält, also für die Fälle der Gesellschafter-Fremdfinanzierung. Soweit die Zinsen keine verdeckte Gewinnausschüttung sind, also unter die Einkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG fallen, ist die Pauschalbesteuerung gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG zwingend ausgeschlossen, wenn die unmittelbare Beteiligung mindestens 10 % beträgt. Eine mittelbare Beteiligung genügt nicht. Allerdings wird die Regelung auf nahestehende Personen ausgedehnt. Dies ist nicht antragsabhängig. Ausgedehnt wird diese Regelung auch auf Zinszahlungen an nahestehende Personen. Soweit die Zinszahlung jedoch verdeckte Gewinnausschüttung ist, weil die Zinsen überhöht sind oder weil bei einem beherrschenden Gesellschafter die Voraussetzung der vorherigen, eindeutigen und klaren Vereinbarung nicht erfüllt ist, ist § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG nicht mehr anwendbar, weil die Zinseinkünfte nicht mehr unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, sondern als verdeckte Gewinnausschüttung unter § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG fallen. Stattdessen ist die Abgeltungsteuer nach § 32d Abs. 2 Nr. 4 EStG nicht anwendbar. Bis zur Einführung des § 32d Abs. 2 Nr. 4 EStG war die Nichtanwendung des § 32d EStG antragsabhängig. Die Besteuerung der Zinsen als verdeckte Gewinnausschüttung konnte also für den Gesellschafter wegen des Antragsrechts günstiger sein als die Besteuerung der dem Drittvergleichsgrundsatz entsprechenden Zinsen. Die Rechtsprechung sah in dieser ungleichen Besteuerung der beiden Fälle keinen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 GG. Grund sei, dass die Zinseinkünfte bei einer verdeckten Gewinnausschüttung auf der Ebene der Kapitalgesellschaft mit 15 % KSt vorbelastet wären, was bei als Betriebsausgaben abzugsfähigen Zinsen nicht der Fall sei. Auch sei die Beteiligungsgrenze von 10 % nicht willkürlich.
Ist der Anteilseigner ein bilanzierender Steuerpflichtiger, und fällt die verdeckte Gewinnausschüttung in den betrieblichen Bereich, ist sie nach Bilanzierungsgrundsätzen zu erfassen. Fallen Auskehrungen einer Körperschaft nicht unter die Tatbestände des § 20 EStG, bleibt eine etwaige verdeckte Gewinnausschüttung bei dem Anteilsinhaber, der Privatperson ist, endgültig unbesteuert.