Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Organträger und Organgesellschaft sind jeweils selbstständige Körperschaftsteuersubjekte, auf deren Einkommensermittlung die allgemeinen Vorschriften anwendbar sind. Im Verhältnis beider Gesellschaften zueinander sind auch die Regeln über die verdeckte Gewinnausschüttung anwendbar. Dabei ist der Maßstab des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Organgesellschaft nur auf diese Organgesellschaft zu beziehen, nicht auf den Organkreis als Ganzes. Der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter hat nur die Vermögensinteressen der von ihm geleiteten Organgesellschaft wahrzunehmen. Er darf einen Vermögensnachteil nicht deshalb hinnehmen, weil diese Handlungsweise für den Organträger, eine andere organkreisangehörige Gesellschaft oder den Organkreis als Ganzes vorteilhaft ist. Anders ist es, wenn der Organträger betrachtet wird. Zu den Vermögensinteressen, die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter eines Organträgers wahrzunehmen hat, gehört auch die Beteiligung an der Organgesellschaft. Der Geschäftsleiter des Organträgers kann also die gesellschaftsrechtlichen Beziehungen zur Organgesellschaft in Betracht ziehen, ohne damit eine verdeckte Gewinnausschüttung an den Gesellschafter zu bewirken.
Keine verdeckte Gewinnausschüttung liegt in dem Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags und der Bildung einer Organschaft, und zwar auch dann nicht, wenn die Organgesellschaft voraussehbar Verluste erwirtschaftet und der Gewinnabführungsvertrag daher voraussichtlich zu einer Verlustübernahmeverpflichtung führt. Die Frage kann nur sein, ob die Verluste bei der Organgesellschaft auf einer verdeckten Gewinnausschüttung beruhen, was bei dauerdefizitären Unternehmensteilen der Fall sein kann. Dann hat eine Korrektur der Ergebnisse auf der Ebene der Organgesellschaft zu erfolgen. Dies hat Vorrang gegenüber einer Korrektur bei dem Ergebnisabführungsvertrag. Der Ergebnisabführungsvertrag und seine Durchführung werden dadurch nicht beeinträchtigt, weil es sich bei der Durchführung des Ergebnisabführungsvertrags um eine handelsrechtliche Frage handelt, die nicht von steuerrechtlichen Qualifikationen beeinflusst wird. Würde neben der Korrektur der Ergebnisse auf der Ebene der Organgesellschaft auch in dem Abschluss eines Ergebnisabführungsvertrags eine verdeckte Gewinnausschüttung gesehen, würde derselbe Sachverhalt doppelt als verdeckte Gewinnausschüttung berücksichtigt; das ist nicht zulässig.
Eine verdeckte Gewinnausschüttung im Organschaftsverhältnis beeinträchtigt die tatsächliche Durchführung des Ergebnisabführungsvertrags nicht. Es handelt sich um eine verdeckte Gewinnabführung. Die Abwicklung der verdeckten Gewinnausschüttung im Organschaftsverhältnis erfolgt nach den allgemeinen Regeln. Das Einkommen der Organgesellschaft wird um den Betrag der verdeckten Gewinnausschüttung erhöht; dieses erhöhte Einkommen wird dem Organträger zur Besteuerung zugewiesen. Die bei dem Organträger durch die verdeckte Gewinnausschüttung eingetretene Erhöhung des Gewinns und damit des eigenen Einkommens muss bei diesem neutralisiert werden, um eine doppelte Erfassung zu vermeiden. Im Einzelnen gilt Folgendes:
- Die Organgesellschaft verkauft ein Wirtschaftsgut zu einem zu niedrigen Preis an den Organträger (unterlassene Vermögensmehrung). Bei der Organgesellschaft ist der Betrag der verdeckten Gewinnausschüttung dem Einkommen hinzuzurechnen (zusätzlicher Veräußerungsgewinn). In der Bilanz des Organträgers ist das Wirtschaftsgut mit dem höheren Wert zu erfassen; bei abschreibbaren Wirtschaftsgütern resultiert daraus ein höheres Abschreibungsvolumen. Die Gegenposition zu dieser Erhöhung des Aktivvermögens stellt der aktive Ausgleichsposten wegen einer Minderabführung dar.
- Der Organträger veräußert ein Wirtschaftsgut zu einem zu hohen Preis an die Organgesellschaft. In diesem Fall ist bei dem Organträger in Höhe der verdeckten Gewinnausschüttung ein zusätzlicher Veräußerungsgewinn oder ein geringerer Veräußerungsverlust entstanden. Bei der Organgesellschaft ist das Wirtschaftsgut mit seinem Verkehrswert einzubuchen; bei abschreibbaren Wirtschaftsgütern reduziert sich das Abschreibungsvolumen. Die dadurch entstehende Gewinnminderung bei der Organgesellschaft (Differenz zwischen Kaufpreis und aktiviertem Verkehrswert) ist bei der Einkommensermittlung als verdeckte Gewinnausschüttung hinzuzurechnen. Bei dem Organträger ist der durch die Veräußerung entstandene zusätzliche Gewinn bei der Ermittlung des eigenen Einkommens als verdeckte Gewinnabführung auszuscheiden und durch Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft zu ersetzen. Im Ergebnis tritt bei dem Organträger keine Änderung ein.
- Die Organgesellschaft erbringt dem Organträger eine Leistung gegen ein zu niedriges Entgelt. Das Einkommen der Organgesellschaft ist um den Betrag der verdeckten Gewinnausschüttung zu erhöhen. Gleichzeitig ist das eigene Einkommen des Organträgers um den gleichen Betrag zu vermindern, da er bei angemessener Leistungsvergütung hö...