Rz. 46

Zur selbstständigen Nutzung fähige Wirtschaftsgüter, deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um darin enthaltene Vorsteuer, 800 EUR nicht übersteigen, dürfen seit dem Wirtschaftsjahr 2018 (vorher 410 EUR) steuerrechtlich nach § 6 Abs. 2 EStG als sog. geringwertige Wirtschaftsgüter im Jahr der Anschaffung oder Herstellung sofort abgesetzt werden, was in der Handelsbilanz mit Verweis auf die Wesentlichkeit für die Vermögensgegenstände des Anlagevermögens nachvollzogen werden kann. Sie sind im Anschaffungsjahr im Anlagespiegel als Zugang und noch im gleichen Jahr als Abgang zu erfassen.[2] Alternativ besteht nach § 6 Abs. 2a EStG die steuerliche Regelung, für geringwertige Wirtschaftsgüter mit einem Wert von über 250 EUR bis 1.000 EUR für die steuerliche Gewinnermittlung je Wirtschaftsjahr einen Sammelposten zu bilden, der ab dem Jahr der Anschaffung oder Herstellung gleichmäßig über 5 Jahre, d. h. mit jeweils 1/5, abzuschreiben ist. Die betriebsübliche Nutzungsdauer spielt ebenso wenig eine Rolle wie die Veräußerung oder Wertminderung der einzelnen Wirtschaftsgüter. Wird diese Regelung in der Handelsbilanz nachvollzogen, so ist ein Abgang im Anlagespiegel erst nach vollständiger Abschreibung im letzten Jahr des Sammelpostens (Poolabschreibung) zu verzeichnen. Obwohl diese Regelung nicht zwingend für die Handelsbilanz anzuwenden ist, ist sie zulässig, weil dieser Posten i. d. R. von untergeordneter Bedeutung ist.[3] Entsprechendes gilt, sieht man von den Aufzeichnungspflichten für geringwertige Wirtschaftsgüter ab, für geringstwertige Wirtschaftsgüter, deren Netto-Anschaffungs- oder Herstellungskosten 250 EUR nicht übersteigen. Handelsrechtlich wurden diese steuerrechtlichen Regelungen als den GoB entsprechende Vereinfachungsregelungen übernommen, die wahlweise in Anspruch genommen werden können.

 

Rz. 47

Bei Verzicht auf die Vereinfachungsregelungen sind gering- und geringstwertige Wirtschaftsgüter wie übliches Anlagevermögen zu behandeln. Werden derartige Wirtschaftsgüter jedoch im Jahr des Zugangs sofort abgeschrieben, stellt sich die Frage, ob und in welcher Form sie in den Anlagespiegel aufzunehmen sind. Während geringstwertige Wirtschaftsgüter den Anlagespiegel unbeeinflusst lassen,[4] sind geringwertige Wirtschaftsgüter in den Anlagespiegel aufzunehmen. Für die Abbildung der geringwertigen Wirtschaftsgüter im Anlagespiegel sind verschiedene Methoden denkbar, von denen sich 2 Methoden durchgesetzt haben:

 

Rz. 48

Bei der 1. Methode wird unterstellt, dass dem Zugang an geringwertigen Wirtschaftsgütern im gleichen Jahr ein Abgang in identischer Höhe gegenübersteht. Folglich sind im Anlagespiegel lediglich die Spalten Zugänge und Abgänge, nicht aber die historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten sowie die kumulierten Abschreibungen betroffen, wie das folgende Beispiel verdeutlicht:

 
Praxis-Beispiel

Behandlung geringwertiger Wirtschaftsgüter: 1. Methode

 
(0) (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10) (11)
Bilanzposten Anschaffungs-/ Herstellungskosten zum 1.1. Zugänge des Geschäftsjahres Abgänge des Geschäftsjahres Umbuchungen des Geschäftsjahres Abschreibungen (kumuliert) zum 1.1. Abschreibungen des Geschäftsjahres Zuschreibungen des Geschäftsjahres Weitere Abschreibungsänderungen Abschreibungen (kumuliert) zum 31.12. Buchwert am 31.12. Buchwert Vorjahr
Jahr 01   800 800                

Tab. 10: Geringwertige Wirtschaftsgüter: 1. Methode

Wenn unter den Abschreibungen des Geschäftsjahres auch die auf die während des Geschäftsjahres abgegangenen Anlagegüter entfallenden Abschreibungen verstanden werden,[5] ist der Betrag von 800 EUR auch in Spalte 9 auszuweisen.

 

Rz. 49

Um insbesondere einen identischen Ausweis der Abschreibungen des Geschäftsjahres im Anlagespiegel und der Abschreibungen auf das Anlagevermögen nach der GuV zu erreichen, wird bei der 2. Methode davon ausgegangen, dass im Jahr des Zugangs Zugänge, kumulierte Abschreibungen und Abschreibungen des Geschäftsjahres zu erfassen sind, ein Abgang wird erst für das folgende Jahr unterstellt. Dies zeigt das zweite Beispiel:

 
Praxis-Beispiel

Behandlung geringwertiger Wirtschaftsgüter: 2. Methode

 
(0) (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10) (11)
Bilanzposten Anschaffungs-/ Herstellungskosten zum 1.1. Zugänge des Geschäftsjahres Abgänge des Geschäftsjahres Umbuchungen des Geschäftsjahres Abschreibungen (kumuliert) zum 1.1. Abschreibungen des Geschäftsjahres Zuschreibungen des Geschäftsjahres Weitere Abschreibungsänderungen Abschreibungen (kumuliert) zum 31.12. Buchwert am 31.12. Buchwert Vorjahr
Jahr 01   800       800     800    
Jahr 02 800   800                

Tab. 11: Geringwertige Wirtschaftsgüter: 2. Methode

 

Rz. 50

Letzteres Vorgehen ist auch für die Poolabschreibung notwendig, wobei dann eine Abschreibung über 5 Jahre zu erfolgen hat, was einen entsprechenden Ausweis notwendig macht.

[1]
[2] Vgl. Poelzig, Münchener Kommentar zum HGB, 4. Aufl. 2020, § 284 HGB Rz 98.
[3] Vgl. IDW, Stellungnahme RH HFA 1.015, FN 2007, S. 506.
[4] Vgl. Lor...

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