FinMin Sachsen-Anhalt, Erlass vom 13.8.2021, 44 – S 0550 – 74

 

1. Anmeldung von Forderungen

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens verliert der Schuldner seine Handlungsfähigkeit. Vor Verfahrenseröffnung begründete Forderungen können nur noch im Rahmen des Insolvenzverfahrens geltend gemacht werden. Die Forderungen sind schriftlich beim Insolvenzverwalter anzumelden (§ 28 InsO, § 174 InsO; vgl. auch VO-Kartei ST Teil 2 Insolvenzverfahren Karte 05 Tz. 4). Hierzu wird vom Verwalter eine Tabelle (§ 175 InsO) geführt. Er ist verpflichtet, jede angemeldete Forderung mit den in § 174 Abs. 2, 3 InsO genannten Angaben einzutragen und die Tabelle mit den Anmeldungen und den beigefügten Urkunden in der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts zur Einsichtnahme durch die Beteiligten niederzulegen. Nach Abschluss des Feststellungsverfahrens wirken die Eintragungen in die Tabelle wie ein vollstreckbares Urteil (zu den Folgen vgl. auch VO-Kartei ST Teil 2 Insolvenzverfahren Karte 14 Tz. 1).

Eine Abgabenforderung ist als Insolvenzforderung anzumelden, wenn sie vor Verfahrenseröffnung begründet ist, d.h. wenn der Rechtsgrund für ihre Entstehung vor Verfahrenseröffnung vollständig gelegt bzw. der den Steueranspruch begründende Tatbestand nach den steuerrechtlichen Vorschriften bereits vor der Insolvenzeröffnung vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen war und die Forderung keine sonstige Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 InsO darstellt (vgl. auch VO-Kartei ST Teil 2 Insolvenzverfahren Karte 05 Tz. 4.3). Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Steuerforderung bereits i.S.v. § 38 AO entstanden ist, sondern dass die für den Anspruch maßgebenden Tatbestandsmerkmale zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung erfüllt sind (§ 38 InsO; vgl. BFH-Urteil vom 29.3.1984, IV R 271/83, BStBl 1984 II S. 602). Anzumelden sind demnach nicht nur die zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung vollstreckbaren Rückstände, sondern auch die gestundeten, von der Vollziehung ausgesetzten niedergeschlagenen und noch nicht fälligen oder noch nicht festgesetzten Abgabenforderungen ohne Rücksicht auf Mahnungen und Schonfristen.

Nicht anzumelden sind Steuerforderungen, die nach Verfahrenseröffnung begründet wurden (sonstige Masseverbindlichkeiten, vgl. § 53 InsO, § 55 Abs. 1 InsO), die vom vorläufigen harten Verwalter i.S.d. § 21 Abs. 2 Nr. 2, 1. Altern. InsO begründeten Verbindlichkeiten (§ 55 Abs. 2 InsO) sowie die während der vorläufigen Verwaltung begründeten Verbindlichkeiten, die gemäß § 55 Abs. 4 InsO als Masseverbindlichkeiten gelten.

Über die Verfahrenseröffnung und die zu erledigenden Arbeiten werden die festsetzenden Bereiche durch den EEB unterrichtet. Insbesondere haben die festsetzenden Bereiche dafür Sorge zu tragen, dass bis zum vom EEB mitgeteilten Termin sämtliche Steuerfestsetzungen für bereits abgelaufene Veranlagungszeiträume – ggf. im Schätzungswege – erfolgen (jedoch ohne Bekanntgabe von Bescheiden!) und die Ergebnisse dem EEB übermittelt werden.

Die Anmeldung der Forderungen beim Verwalter obliegt dem EEB.

Eine (teilweise) Rücknahme der Forderungsanmeldung ist bis zur Feststellung der angemeldeten Forderung zulässig (BGH v. 11.4.2019, IX ZR 79/18, ZInsO 2019 S. 1105). Bis zum Prüfungstermin erfolgt die Mitteilung gegenüber dem Insolvenzverwalter.

Zahlungen von Gesamtschuldnern nach Verfahrenseröffnung haben grundsätzlich keinen Einfluss auf die Anmeldung zur Tabelle; in der Folge sind die im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung fälligen Forderungen unabhängig von späteren Zahlungseingängen zur Tabelle anzumelden (§ 43 InsO, BGH v. 11.12.2008, IX ZR 156/07 – Rn. 14).

 

2. Prüfung der angemeldeten Forderungen

 

2.1 Prüfungstermin

Im so genannten Prüfungstermin, der im Eröffnungsbeschluss bestimmt ist, werden die angemeldeten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach geprüft. Der Insolvenzverwalter, der Insolvenzschuldner, aber auch andere Insolvenzgläubiger können den angemeldeten Forderungen im Prüfungstermin widersprechen. Einzelerörterungen finden nur für die Forderungen statt, die bestritten sind oder im Prüfungstermin bestritten werden (§ 176 Abs. 1 InsO). Wird der Prüfung nachträglich angemeldeter Forderungen widersprochen oder wird eine Forderung erst nach dem Prüfungstermin angemeldet, wird ein besonderer Prüfungstermin anberaumt oder die Prüfung im schriftlichen Verfahren angeordnet (§ 177 Abs. 1 Satz 2 InsO).

Die Insolvenzgläubiger sind zur Teilnahme am Prüfungstermin berechtigt. Forderungen werden aber auch dann geprüft, wenn der anmeldende Insolvenzgläubiger im Prüfungstermin nicht anwesend ist.

 

2.2 Nicht bestrittene Forderungen

Wird einer Forderung weder im Prüfungstermin noch im schriftlichen Verfahren (§ 177 InsO) widersprochen, so gilt sie als festgestellt. Ein Widerspruch des Insolvenzschuldners hindert die Feststellung nicht, weil es Aufgabe des Verwalters ist, in eigener Verantwortung die Belange des Schuldners wahrzunehmen.

Das Insolvenzgericht trägt für jede angemeldete Forderung in die Tabelle ein, inwieweit diese ihrem Betrag und ...

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