FinMin Sachsen-Anhalt, Erlaß v. 28.4.2017, 44 - S 0550 - 76
1. Anmeldung von Forderungen
Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens verliert der Schuldner seine Handlungsfähigkeit. Vor Verfahrenseröffnung begründete Forderungen können nur noch im Rahmen des Insolvenzverfahrens geltend gemacht werden. Die Forderungen sind schriftlich beim Insolvenzverwalter anzumelden (§ 28 InsO, § 174 InsO). Hierzu wird vom Verwalter eine Tabelle (§ 175 InsO) geführt. Er ist verpflichtet, jede angemeldete Forderung mit den in § 174 Abs. 2, 3 InsO genannten Angaben einzutragen und die Tabelle mit den Anmeldungen und den beigefügten Urkunden in der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts zur Einsichtnahme durch die Beteiligten niederzulegen. Nach Beendigung des Insolvenzverfahrens erlangt die Tabelle die Wirkung eines vollstreckbaren Urteils, d.h. die Insolvenzgläubiger können etwa verbliebene Forderungen – soweit überhaupt noch möglich – aus dem Tabellenauszug vollstrecken (§ 201 Abs. 2 InsO).
Eine Abgabenforderung ist als Insolvenzforderung anzumelden, wenn sie vor Verfahrenseröffnung begründet ist, d.h. wenn der Rechtsgrund für ihre Entstehung vor Verfahrenseröffnung vollständig gelegt ist. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Steuerforderung bereits i.S. von § 38 AO entstanden ist, sondern dass die für den Anspruch maßgebenden Tatbestandsmerkmale zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung erfüllt sind (§ 38 InsO; vgl. BFH-Urteil vom 29.3.1984, IV R 271/83, BStBl 1984 II S. 602). Anzumelden sind demnach nicht nur die zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung vollstreckbaren Rückstände, sondern auch die gestundeten, von der Vollziehung ausgesetzten niedergeschlagenen und noch nicht fälligen oder noch nicht festgesetzten Abgabenforderungen ohne Rücksicht auf Mahnungen und Schonfristen.
Nicht anzumelden sind Steuerforderungen, die nach Verfahrenseröffnung begründet wurden (sonstige Masseverbindlichkeiten, vgl. § 53 InsO, § 55 Abs. 1 InsO), die vom vorläufigen harten Verwalter i.S. des § 21 Abs. 2 Nr. 2, 1. Altern. InsO begründeten Verbindlichkeiten (§ 55 Abs. 2 InsO) sowie die während der vorläufigen Verwaltung begründeten Verbindlichkeiten, die gemäß § 55 Abs. 4 InsO als Masseverbindlichkeiten gelten.
Über die Verfahrenseröffnung und die zu erledigenden Arbeiten werden die festsetzenden Bereiche durch den EEB unterrichtet. Insbesondere haben die festsetzenden Bereiche dafür Sorge zu tragen, dass bis zum vom EEB mitgeteilten Termin sämtliche Steuerfestsetzungen für bereits abgelaufene Veranlagungszeiträume – ggf. im Schätzungswege – erfolgen (jedoch ohne Bekanntgabe von Bescheiden!) und die Ergebnisse dem EEB übermittelt werden.
Die Anmeldung der Forderungen beim Verwalter obliegt dem EEB.
2. Prüfung der angemeldeten Forderungen
2.1 Prüfungstermin
Im so genannten Prüfungstermin, der im Eröffnungsbeschluss bestimmt ist, werden die angemeldeten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach geprüft. Der Insolvenzverwalter, der Insolvenzschuldner, aber auch andere Insolvenzgläubiger können den angemeldeten Forderungen im Prüfungstermin widersprechen. Einzelerörterungen finden nur für die Forderungen statt, die bestritten sind oder im Prüfungstermin bestritten werden (§ 176 Abs. 1 InsO). Wird der Prüfung nachträglich angemeldeter Forderungen widersprochen oder wird eine Forderung erst nach dem Prüfungstermin angemeldet, wird ein besonderer Prüfungstermin anberaumt oder die Prüfung im schriftlichen Verfahren angeordnet (§ 177 Abs. 1 Satz 2 InsO).
Die Insolvenzgläubiger sind zur Teilnahme am Prüfungstermin berechtigt. Forderungen werden aber auch dann geprüft, wenn der anmeldende Insolvenzgläubiger im Prüfungstermin nicht anwesend ist.
2.2 Nicht bestrittene Forderungen
Wird einer Forderung weder im Prüfungstermin noch im schriftlichen Verfahren (§ 177 InsO) widersprochen, so gilt sie als festgestellt. Ein Widerspruch des Insolvenzschuldners hindert die Feststellung nicht, weil es Aufgabe des Verwalters ist, in eigener Verantwortung die Belange des Schuldners wahrzunehmen.
Das Insolvenzgericht trägt für jede angemeldete Forderung in die Tabelle ein, inwieweit diese ihrem Betrag und Rang nach festgestellt ist bzw. wer ihr widersprochen hat. Die Eintragung in die Tabelle wirkt für die festgestellten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach gegenüber dem Insolvenzverwalter und den Insolvenzgläubigern wie ein rechtskräftiges Urteil (§ 178 Abs. 3 InsO).
Wird eine angemeldete (titulierte, hierzu s.u.) Forderung, gegen die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Einspruch oder eine Klage anhängig war, im Prüfungstermin anerkannt, so informiert der EEB die zuständige Stelle entsprechend; die Unterrichtung des Finanzgerichts obliegt der Rechtsbehelfsstelle.
Ist gegen eine Festsetzung im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bereits ein Einspruchsverfahren anhängig und wird der Anmeldung dieser Forderung – auch durch den Schuldner – nicht widersprochen, gilt die Forderung als festgestellt (§ 178 Abs. 1 InsO); dies gilt auch gegenüber dem Insolvenzschuldner (§ 201 ...