Leitsatz
1. Der so genannte Anfangsverdacht einer Steuerstraftat ist bei der Durchführung von Tafelgeschäften dann gerechtfertigt, wenn der Bankkunde solche Geschäfte bei dem Kreditinstitut, bei dem er seine Konten und/oder Depots führt, außerhalb dieser Konten und Depots durch Bareinzahlungen und Barabhebungen abwickelt.
2. Der hiernach (1.) einer Steuerstraftat verdächtige Bankkunde bzw. sein Erbe muss auch noch nach Eintritt eines Strafverfolgungshindernisses mit einem Vorgehen der Steuerfahndung auf der Grundlage von § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 zwecks Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen rechnen, solange jedenfalls hinsichtlich des in Frage stehenden Steuerentstehungstatbestands noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist.
3. Besteht ein Anfangsverdacht, steht das so genannte Bankengeheimnis der Auswertung des im Rahmen einer richterlichen Beschlagnahmeanordnung gewonnenen Materials durch die Steuerfahndung, auch in Form der Weitergabe dieses Materials im Weg von Kontrollmitteilungen an die zuständigen Veranlagungsfinanzämter, nicht im Weg.
Normenkette
§ 30a Abs. 3 AO , § 93 Abs. 1 Satz 1 AO , § 154 Abs. 2 AO , § 208 Abs. 1 AO , § 386 Abs. 1 AO , § 903 Satz 1 BGB , § 1004 BGB , § 33, § 114 FGO
Sachverhalt
Bei Durchsuchung einer Bank wurde von der Steuerfahndung festgestellt, dass mehrere Bankkunden den Erwerb von Wertpapieren als Tafelgeschäft nicht unmittelbar durch Abbuchung des Erwerbspreises von einem Bankkonto abgewickelt hatten, obwohl sie bei der Bank, bei der sie die Wertpapiere kauften, ein dafür geeignetes Geldkonto unterhielten. Sie hatten vielmehr Wertpapiere mittels Barbezahlung erworben, wobei im Allgemeinen die Bareinzahlungen mit Barabhebungen von den Kundenkonten in zeitlichem Zusammenhang standen.
Die Fahnder beschlagnahmten Bankunterlagen, welche über diese Geschäfte Aufschluss zu geben versprachen. Die Bank wollte der Steuerfahndung durch einstweilige Anordnung vom FG die Weitergabe der beschlagnahmten Unterlagen an die für die Besteuerung der Kunden zuständigen Finanzämter verbieten lassen. Das FG lehnte dies jedoch ab.
Entscheidung
Der BFH hat die vom FG zugelassene Beschwerde gegen dessen Beschluss zurückgewiesen. Er sieht einen strafrechtlichen Anfangsverdacht gegen die Bankkunden schon aufgrund der Würdigung des ordentlichen Gerichts, das hier eine Durchsuchungsanordnung erlassen hatte, als gegeben an. Das Bestehen des Anfangsverdachts sei also im finanzgerichtlichen Verfahren nicht erneut zu prüfen.
Etwas anderes gelte nur dann, wenn die strafrichterliche Würdigung "greifbar gesetzwidrig" sei. Das sei hier nicht der Fall; der BFH habe in dem Beschluss in BStBl II 2001, 306 einen strafrechtlichen Anfangsverdacht bei Tafelgeschäften zwar verneint. Anders als in dem dort entschiedenen Fall bestehe er aber dann, wenn Tafelgeschäfte nicht "in banküblicher Weise" abgewickelt würden. Die "Abkoppelung der Geschäfte von den (bei derselben Bank) bestehenden Konten" und die dadurch bewirkte Anonymität des Tafelgeschäfts sei im Streitfall ungewöhnlich.
Solche Geschäftsvorfälle festzustellen gehöre zu den Aufgaben der Steuerfahndung auch dann, wenn Verfolgungsverjährung, aber noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Die Steuerfahndung habe auch die Befugnis, über diesbezügliche Erkenntnisse Kontrollmitteilungen auszuschreiben. § 30a AO stehe dem nicht entgegen; diese Vorschrift verbiete Kontrollmitteilungen jedenfalls dann nicht, wenn ein strafrechtlicher Anfangsverdacht besteht.
Hinweis
Tafelgeschäfte stehen allgemein im Verdacht hauptsächlich deshalb vorgenommen zu werden, um unversteuertes Geld unerkannt anlegen zu können und dadurch die Hinterziehung der Steuern auf Zinserträge relativ gefahrlos zu machen. Der VII. Senat des BFH hat sich dadurch nicht gehindert gesehen, auch bei Tafelgeschäften das sog. Bankgeheimnis zu wahren (Beschluss in BStBl II 2001, 306). Er hat erkannt, dass ein hinreichender Anlass für Kontrollmitteilungen, der über das (nach Ansicht des VII. Senats bestehende) Verbot des § 30a Abs. 3 AO, Konten abzuschreiben und darüber Kontrollmitteilungen zu erteilen, hinweghilft, bei einem Bankgeschäft nicht allein schon deshalb bestehe, weil es sich um ein Tafelgeschäft handelt. Die allgemeine Lebenserfahrung, dass sich hinter Tafelgeschäften (nicht immer, aber) besonders häufig Steuerhinterziehung verbirgt, lässt der VII. Senat also für eine Kontrollmitteilung bzw. diesbezügliche Ermittlungen bei legitimationsgeprüften Konten nicht ausreichen. Das zentrale Argument des BFH dafür ist, dass Tafelgeschäfte ja an sich nicht verboten seien, man also ein vom Gesetzgeber zugelassenes wirtschaftliches Verhalten nicht ohne besondere Anhaltspunkte gleichsam diskriminieren und im Weg der Fahndungsprüfung ausforschen dürfe; ferner, dass eine Prüfung von Tafelgeschäften über die Grenze hinweg eine gemeinschaftsrechtswidrige Diskriminierung des freien Kapitalverkehrs darstelle.
Diese dem Steuerpflichtigen wohlgesonnene Rechtsprechung hat viel Beifall, vor allem auch in den ...