OFD Magdeburg, Verfügung v. 12.11.2001, S 0353 - 2 St 311
1. Allgemeines
Grundlagenbescheide (Feststellungsbescheide, Steuermessbescheide, Zerlegungsbescheide, Zuteilungsbescheide und sonstige Verwaltungsakte) sind, auch wenn sie noch nicht unanfechtbar sind, für Folgebescheide (Feststellungsbescheide, Steuermessbescheide, Steuerbescheide und Steueranmeldungen) bindend, soweit die in ihnen getroffenen Feststellungen für die Folgebescheide von Bedeutung sind (§ 182 Abs. 1 Satz 1 AO). Das Ergehen eines Ergänzungsbescheids gemäß § 179 Abs. 3 AO steht dem Erlass eines Feststellungsbescheids gleich. Bindungswirkung entfalten auch Feststellungsbescheide nach § 180 Abs. 5 Nr. 2 AO über die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen und Körperschaftsteuer auf die festgesetzte Steuer, also Verwaltungsakte, die die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis betreffen. Auch Verwaltungsakte von Behörden, die keine Finanzbehörden sind, können Grundlagenbescheide sein (vgl. Nr. 1 AEAO zu § 175).
Es ist deshalb erforderlich, Folgebescheide in dem vom Gesetz gezogenen Rahmen an die Grundlagenbescheide anzupassen. Anpassungsnorm ist § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Danach ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Grundlagenbescheid, dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird. Wird ein Feststellungsbescheid nach § 180 Abs. 5 Nr. 2 AO erlassen, aufgehoben oder geändert, ist ein Verwaltungsakt, für den dieser Feststellungsbescheid Bindungswirkung entfaltet, in entsprechender Anwendung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu korrigieren (§ 182 Abs. 1 Satz 2 AO).
Ausnahmsweise kann dem FA die Anpassung des Folgebescheids an den Grundlagenbescheid nach Treu und Glauben versagt sein, wenn es durch sein Verhalten im Folgebescheidverfahren den Steuerpflichtigen von der Anfechtung des Feststellungsbescheids abgehalten hat (BFH-Urteil vom 19.1.1989, IV R 2/87, BStBl 1989 II S. 393).
Gemäß § 155 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 AO kann ein Steuerbescheid schon erteilt werden, auch wenn ein Grundlagenbescheid noch nicht erlassen wurde. Ist der Grundlagenbescheid ergangen, ist der Folgebescheid erforderlichenfalls gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO an den Grundlagenbescheid anzupassen. Die Änderungsbefugnis besteht auch dann, wenn der Steuerbescheid nicht als Schätzungsbescheid im Vorgriff ergangen ist, sondern das FA in ihm über gesondert festzustellende Besteuerungsgrundlagen bzw. Festsetzungsmerkmale abschließend entscheiden wollte. Auch in diesem Fall sind die in dem Grundlagenbescheid getroffenen Feststellungen vorrangig (BFH-Urteil vom 26.7.1983, VIII R 28/79, BStBl 1984 II S. 290).
Im Einspruchsverfahren ist § 351 Abs. 2 AO zu beachten. Danach können Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid nur durch Anfechtung dieses Bescheids, nicht auch durch Anfechtung des Folgebescheids, angegriffen werden. Ein Einspruch gegen einen Folgebescheid, mit welchem nur Einwendungen gegen den Grundlagenbescheid geltend gemacht werden, ist unbegründet, nicht unzulässig (BFH-Urteil vom 2.9.1987, I R 162/84, BStBl 1988 II S. 142).
2. Hemmung der Verjährung und Auswertung der Mitteilungen über die festgestellten Besteuerungsgrundlagen
§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO wird verfahrensrechtlich durch § 171 Abs. 10 AO ergänzt. Danach endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheides, soweit dieser für die Festsetzung einer Steuer bindend ist.
§ 171 Abs. 10 Satz 1 AO i.d.F. des JStG vom 20.12.1996 (BGBl 1996 I S. 2049) gilt für alle bei In-Kraft-Treten dieses Gesetzes am 28.12.1996 noch nicht abgelaufenen Festsetzungsfristen (Art. 97 § 10 Abs. 7 EGAO).
Ist ein Grundlagenbescheid zulässig ergangen, weil die für seinen Erlass geltende Feststellungsfrist noch nicht abgelaufen war, kann die Anpassung der Folgebescheide in jedem Fall noch innerhalb von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe vorgenommen werden (BFH-Urteil vom 30.11.1999, IX R 41/97, BStBl 2000 II S. 173).
Eine Einspruchsentscheidung, durch die der Einspruch gegen einen Grundlagenbescheid als unbegründet zurückgewiesen wird, ist kein Grundlagenbescheid im Sinne des § 171 Abs. 10 AO und setzt daher keine neue Zweijahresfrist in Gang (BFH-Urteil vom 30.11.1999, IX R 41/97, BStBl 2000 II S. 173).
Soweit ein Grundlagenbescheid einen gleichartigen, dem Inhaltsadressaten wirksam bekannt gegebenen Steuerverwaltungsakt in seinem verbindlichen Regelungsinhalt nicht verändert, sondern nur wiederholt, löst er keine Anpassungspflicht nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO aus und wirkt auch nicht gemäß § 171 Abs. 10 AO auf den Lauf der Festsetzungsfrist für den Folgebescheid ein (BFH-Urteil vom 13.12.2000, X R 42/96, BStBl 2001 II S. 471).
Eine inhaltliche Veränderung des bisherigen Regelungsinhalts liegt jedoch – auch wenn eine sachliche Änderung nicht erfolgt – bei Aufhebung eines Nachprüfungsvorbehalts vor, der gemäß § 164 Abs. 3 Satz 2 AO (i.V.m. § 18...