Leitsatz
1. Plant der Erwerber eines vermieteten Gebäudes bereits im Zeitpunkt der Anschaffung die Eigennutzung und nicht die weitere Vermietung, machen die von vorneherein geplanten und nach Beendigung des Mietverhältnisses durchgeführten Baumaßnahmen das Gebäude betriebsbereit, wenn dadurch ein höherer Standard erreicht wird. Die betreffenden Aufwendungen sind daher Anschaffungskosten.
2. Bei der Frage, ob Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen zu einer wesentlichen Verbesserung des Gebäudes und damit zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten i.S.v. § 255 HGB führen, kommt es nicht auf die subjektiven Vorstellungen des Erwerbers, sondern allein auf die objektiven Auswirkungen der Maßnahmen auf den Nutzungswert des Gebäudes an. Auch Aufwendungen für die Beseitigung versteckter Mängel können den Nutzungswert eines Gebäudes steigern.
3. Der Gebrauchswert eines Wohngebäudes wird auch durch Erweiterungen i.S.v. § 255 Abs. 2 Satz 1 Variante 2 HGB bestimmt. Liegen insofern Herstellungskosten in einem der den Wohnstandard des Gebäudes bestimmenden Bereiche vor, führen wesentliche Verbesserungen in wenigstens zwei weiteren Bereichen der Kernausstattung einer Wohnung zu Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten.
4. Aufwendungen, die mit Erweiterungen i.S.v. § 255 Abs. 2 Satz 1 Variante 2 HGB bzw. mit zu einer Hebung des Wohnstandards führenden Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen bautechnisch zusammenhängen, führen zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten.
Normenkette
§ 255 HGB , § 10e Abs. 6 EStG
Sachverhalt
Die Kläger (Eheleute) erwarben Ende 1988 ein älteres, im Erwerbszeitpunkt vermietetes Einfamilienhaus. Nach Beendigung des Mietverhältnisses Ende März 1989 renovierten und modernisierten die Kläger das Gebäude umfassend (Gesamtkosten: rd. 280.000 DM). Ab November 1989 nutzten sie das Gebäude zu eigenen Wohnzwecken. Für das Streitjahr 1989 machten sie rd. 38.000 DM zur Beseitigung "offener Mängel" und rd. 175.000 DM zur Entfernung "versteckter Mängel" als Vorkosten geltend. Die übrigen Kosten (rd. 67.000 DM) bezogen sie als Herstellungskosten in die Bemessungsgrundlage für den Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG ein.
Das FA ließ lediglich einen Betrag i.H.v. rd. 4.200 DM, verursacht durch den Austausch eines verfaulten Balkens, zum Abzug als Vorkosten zu. Die Kosten für die Heizungserneuerung (ca. 21.500 DM) berücksichtigte es gem. § 82a Abs. 1 Nr. 5 EStDV mit 10 % jährlich. Alle übrigen Aufwendungen sah es als anschaffungsnahe Herstellungskosten an und bezog sie in die Bemessungsgrundlage für den Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG ein.
Das FG wies die dagegen gerichtete Klage ab (EFG 1999, 773). Auf die Revision der Kläger hob der BFH die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.
Entscheidung
Zu Unrecht habe das FG den Abzug der streitigen Aufwendungen als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG allein wegen ihrer Höhe und zeitlichen Nähe zur Anschaffung des Gebäudes versagt. Unter Beachtung der von der neueren Rechtsprechung entwickelten Grundsätze (näher dazu in den Praxis-Hinweisen) müsse das FG nunmehr untersuchen, welche der streitigen Kosten gem. § 255 HGB als Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten oder als Erhaltungsaufwand zu werten seien.
Hinweis
1. Aufwendungen, die für die erstmalige Nutzung einer Wohnung zu eigenen Wohnzwecken entstehen, sind nur dann nach § 10e Abs. 6 EStG als Vorkosten abziehbar, wenn sie nicht zu Herstellungs- oder Anschaffungskosten der Wohnung oder zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens gehören. Welche Aufwendungen dies sind, bestimmt sich bei den Gewinn- und Überschusseinkünften nach § 255 HGB.
Anschaffungskosten gem. § 255 Abs. 1 HGB sind die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Ein Vermögensgegenstand (hier: Gebäude) ist betriebsbereit, wenn er entsprechend seiner Zweckbestimmung genutzt werden kann.
Wird – wie im hier vorliegenden Fall – ein bestehendes Mietverhältnis kurz nach Übergang von Besitz, Nutzungen und Lasten aufgelöst und soll das Gebäude fortan erstmals zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden, zählen die vorgenommenen Bauaufwendungen zu den Erhaltungs- oder Anschaffungskosten.
Den Nutzungszweck eines Gebäudes bestimmt der Erwerber. Plant dieser bereits im Zeitpunkt der Anschaffung die Eigennutzung, so dienen die von vorneherein beabsichtigten und nach Beendigung des Mietverhältnisses durchgeführten Baumaßnahmen dazu, das Wirtschaftsgut (Gebäude) entsprechend seinen Anforderungen und Bedürfnissen nutzen zu können.
Zur Zweckbestimmung eines Wohnzwecken dienenden Gebäudes gehört nach den grundlegenden BFH-Urteilen vom 12.9.2001, IX R 39/97 (BFH-PR 2002, 281) und IX R 52/00 (BFH-PR 2002, 282), denen das Besprechungsurteil folgt, auch die Entscheidung, welchem Standard es entsprechen soll (sehr einfacher, mittlerer oder sehr anspruchsvoller Standard). Auf die Frage, ob Reparatur- oder Modernisierungsmaßnahmen in zeitlicher Nähe zur Anschaffung anfallen und ...