Grundsätzlich führt nach der Verwaltungsauffassung jede einer Einbringung nachfolgende Umwandlung oder Einbringung zu einer schädlichen Veräußerung i. S. des § 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG. Um dem unzulänglichen Gesetzeswortlaut in § 22 UmwStG zu begegnen und nicht gedeckte Rechtsfolgen zu vermeiden, sieht Rdnr. 22.23 UmwSt-Erlass aber eine antragsabhängige Billigkeitsregelung vor. Danach kann auf übereinstimmenden Antrag aller Personen, bei denen ansonsten infolge des Umwandlungsvorgangs ein Einbringungsgewinn rückwirkend zu versteuern wäre, von einer rückwirkenden Einbringungsgewinnbesteuerung abgesehen werden. Dies setzt aber zumindest kumulativ voraus, dass

  • keine steuerliche Statusverbesserung eintritt, was bedeutet, dass die Besteuerung eines Einbringungsgewinns I bzw. II nicht verhindert wird,
  • sich keine stillen Reserven von den sperrfristbehafteten Anteilen auf Anteile eines Dritten verlagern,
  • das deutsche Besteuerungsrechte nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt werden und
  • die Antragsteller sich damit einverstanden erklären, dass auf alle unmittelbaren oder mittelbaren Anteile an einer an der Umwandlung beteiligten Gesellschaft § 22 Abs. 1 und Abs. 2 UmwStG entsprechend anzuwenden ist, wobei Anteile am Einbringenden regelmäßig nicht einzubeziehen sind.

Bemerkenswert ist, dass nach der letztgenannten Voraussetzung im Rahmen der Billigkeitsregelung die Einbringungsgewinnbesteuerung – mit Ausnahme der Anteile am Einbringenden – alle unmittelbaren oder mittelbaren Anteile an einer an der Umwandlung beteiligten Gesellschaft erfassen soll. Dies ist deutlich zu weitgehend, da auch Anteile erfasst werden, die an der übernehmenden Gesellschaft bereits vor der Einbringung bestanden haben. Da von der gesetzlichen Sperrfristverhaftung nur die im Zuge einer Einbringung nach § 20 UmwStG erhaltenen Anteile bzw. bei einem qualifizierten Anteilstausch nach § 21 UmwStG die eingebrachten Anteile erfasst werden, ist kein Grund ersichtlich, auch mittelbare Anteile steuerlich zu verstricken, die sich z. B. auf einer Ebene unterhalb oder oberhalb der aufnehmenden Gesellschaft befinden.

Als äußerst bedenklich muss auch die Tatsache angesehen werden, dass statt eines gesellschafterbezogenen Antrags eine übereinstimmende Antragstellung aller Personen erforderlich ist, bei denen ansonsten infolge des Umwandlungsvorgangs ein Einbringungsgewinn rückwirkend zu versteuern wäre. Hierdurch können einzelne Gesellschafter die Anwendung der Billigkeitsregelung verhindern. Im Übrigen finden sich im UmwSt-Erlass keinerlei Ausführungen zu Form und Bindungswirkung des Antrags sowie zum Zeitpunkt und zur örtlichen Zuständigkeit der Finanzverwaltung. Nach der Auffassung im Schrifttum ist der Antrag an das für die Besteuerung des Einbringenden zuständige Finanzamt zu richten.[1]

Bei der Prüfung des Antrags soll nach Rdnr. 22.23 UmwSt-Erlass die gesetzgeberische Grundentscheidung zu berücksichtigen sein, dass die §§ 22 Abs. 1 und Abs. 2 i. V. m. § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 2, 4 und 5 UmwStG nur punktuelle Ausnahmen von der Einbringungsgewinnbesteuerung zulassen. Daher soll die Billigkeitsregelung nur anwendbar sein, wenn der konkrete Einzelfall in jeder Hinsicht mit den Ausnahmetatbeständen i. S. des § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 2, 4 und 5 UmwStG vergleichbar ist. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass § 22 UmwStG eine Rückausnahme weder bei Buchwert-Einbringungen i. S. des § 24 UmwStG vorsieht noch bei Umwandlungen, bei denen z. B. nach § 54 Abs. 1 Satz 3 UmwG auf die Gewährung von Anteilen oder Mitgliedschaften an Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften verzichtet wird.

Die Billigkeitsregelung soll auch dann nicht in Anspruch genommen werden können, wenn in einer Gesamtschau eine Umwandlung oder Einbringung der Veräußerung des eingebrachten Vermögens dient. Hiervon ist nach Rdnr. 22.23 UmwSt-Erlass auszugehen, wenn der Einbringende nach der Umwandlung an dem ursprünglich eingebrachten Betriebsvermögen nicht mehr unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist, z. B. bei der Trennung von Gesellschafterstämmen, auch wenn diese im Rahmen einer Spaltung von Kapitalgesellschaften nach § 15 UmwStG steuerneutral erfolgen kann.

Wenngleich die vorstehend skizzierte Billigkeitsregelung durchaus zu begrüßen ist, hat sie einen dennoch deutlich überschießenden Charakter und behindert Folgeumwandlungen und Folgeeinbringungen extrem. In diesem Zusammenhang ist bereits fraglich, ob Umwandlungen in jeder Hinsicht als Veräußerung angesehen werden können oder ob nicht vielmehr der Veräußerungsbegriff des § 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG einer normspezifischen Auslegung bedarf.[2] Daneben ist zu berücksichtigen, dass die Regelungen in § 22 UmwStG lediglich eine steuerliche Statusverbesserung verhindern sollen. Aus diesem Grund ist keine nachvollziehbare Begründung dafür erkennbar, warum bestimmte Umwandlungen durch die Billigkeitsregelung nicht begünstigt werden.

In den Rdnrn. 22.23 bis 22.27 UmwSt-Erlass werden Beispielsfälle diskutiert, wonach bei einer Seitwärtsverschm...

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