Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
Gehören mehrere Kfz zu einem Betriebsvermögen, ist § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG grundsätzlich auch dann fahrzeugbezogen, also mehrfach anzuwenden, wenn in tatsächlicher Hinsicht feststeht, dass ausschließlich eine Person die Fahrzeuge auch privat genutzt hat (entgegen Tz. 9 S. 2 des BMF-Schreibens vom 21.01.2002, IV A 6 – S 2177 – 1/02, BStBl I 2002, 148).
Normenkette
§ 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG
Sachverhalt
Der Kläger, ein Unternehmensberater, hielt durchgängig zwei, in einem Monat sogar drei Kfz in seinem Betriebsvermögen. Er führte keine Fahrtenbücher. Das FA wandte für sämtliche Fahrzeuge die 1 %-Regelung an. Dagegen wandte sich der Kläger mit dem Argument, nach dem oben zitierten BMF-Schreiben dürfe die 1 %-Regelung nur für das Fahrzeug mit dem höchsten Listenpreis angewendet werden. Das FG wies die Klage ab (FG Münster, Urteil vom 29.04.2008, 6 K 2405/07 E,U, Haufe-Index 2018614, EFG 2008, 1275).
Entscheidung
Die Revision des Klägers zum BFH blieb aus den oben in den Praxis-Hinweisen zusammengefassten Erwägungen erfolglos.
Hinweis
1. Die Bewertung der privaten Nutzung eines betrieblichen Pkw anhand der 1 %-Regelung bedeutet für die Steuerpflichtigen eine Härte, weil sie in aller Regel zu einem unrealistisch hohen Ansatz der Nutzungsentnahme führt. Diese Härte wird allerdings dadurch gemildert, dass das Gesetz die Möglichkeit einräumt, die tatsächliche Privatnutzung durch ein Fahrtenbuch nachzuweisen. Der Steuerpflichtige hat also insoweit die Wahl, die erheblich teurere, aber einfachere 1 %-Regelung in Anspruch zu nehmen oder aber die Mühen eines Fahrtenbuchs auf sich zu nehmen.
2. Diese Zwickmühle zwischen der Härte der 1 %-Regelung und der Kompliziertheit der Führung eines Fahrtenbuchs verstärkt sich in besonderer Weise, wenn mehrere Fahrzeuge im Betriebsvermögen gehalten, aber nur von einer Person abwechselnd auch privat genutzt werden.
a) Zunächst stellt sich die Frage, ob man die 1 %-Regelung gleichsam global für einen gesamten Fahrzeug-Pool anwenden kann. Das ist nach dem Wortlaut des Gesetzes zu verneinen. Die 1 %-Regelung gilt ausdrücklich für jedes einzelne Fahrzeug. Entstehungsgeschichte, systematischer Zusammenhang und Zweck der Regelung helfen insoweit ebenfalls nicht weiter.
b) Auch insoweit hat der Steuerpflichtige indes die Möglichkeit, die Härte der Regelung dadurch zu mildern, dass er für alle Fahrzeuge oder wenigstens ein Fahrzeug ein Fahrtenbuch führt.
3. Wenn nur eine einzige Person die Fahrzeuge abwechselnd privat nutzt, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Denn der Anwendungsbereich der 1 %-Regelung ist nicht davon abhängig, wie viele Personen das Fahrzeug privat nutzen.
4. Das BMF hatte indes in der Vergangenheit die vorstehend beschriebenen, nach der gesetzlichen Regelung unausweichlichen Rechtsfolgen der 1 %-Regelung offenbar als übermäßig hart empfunden. In dem noch bis einschließlich 2009 anwendbaren Schreiben des BMF vom 21.01.2002 (BStBl I 2002, 148, war in Tz. 9 S. 2) vorgesehen, dass für die Ermittlung des privaten Nutzungswerts nur das Fahrzeug mit dem höchsten Listenpreis zugrunde gelegt wird, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass die betrieblichen Fahrzeuge nicht von Personen genutzt werden, die zu seiner Privatsphäre gehören.
Diese Regelung lässt sich nach dem Gesetz kaum halten. Das zeigt sich schon dann, wenn man fragt, wie denn in derartigen Fällen der private Nutzungsanteil für die Fahrzeuge mit dem niedrigeren Listenpreis bestimmt werden soll. Das Gesetz sieht als Alternative hier ausdrücklich nur entweder die 1 %-Regelung oder das Führen eines Fahrtenbuchs vor.
5. Der BFH hatte keinen Anlass, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Voraussetzungen der Verwaltungsregelung im Streitfall erfüllt waren. Sieht man diese Verwaltungsregelung nämlich als norminterpretierend an, so kommt ihr für die Gesetzesauslegung durch die Gerichte keinerlei Bindungswirkung zu. Und wenn man die Verwaltungsregelung als Billigkeitsvorschrift versteht, sind die Voraussetzungen einer Billigkeitsmaßnahme in einem gesonderten Verfahren, aber nicht in dem hier betriebenen Steuerfestsetzungsverfahren zu prüfen.
6. Da hier eine Entscheidung im Steuerfestsetzungsverfahren zu treffen war, musste auch die Frage offen bleiben, ob der Steuerpflichtige möglicherweise Anspruch auf eine Billigkeitsmaßnahme haben könnte, weil er im Vertrauen auf das oben zitierte BMF-Schreiben davon abgesehen hatte, Fahrtenbücher zu führen. Unter diesem Gesichtspunkt könnte es sich in Fällen der vorliegenden Art empfehlen, noch nachträglich einen Billigkeitsantrag beim FA zu stellen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 09.03.2010 – VIII R 24/08