Leitsatz
1. Die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Finanzverwaltung unterfällt dem Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Auf eine Differenzierung nach der Art der Aktenführung, der Art der Dokumente oder der Form der Bearbeitung kommt es nicht an.
2. Art. 2 Abs. 2 Buchst. a DSGVO beschränkt die Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung nicht auf den Bereich der harmonisierten Steuern.
3. Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO gewährt keinen gegenüber Art. 15 Abs. 1 DSGVO eigenständigen Anspruch gegenüber dem Verantwortlichen auf Zurverfügungstellung von Dokumenten mit personenbezogenen Daten.
4. Nur wenn eine Kopie von Dokumenten unerlässlich ist, um der betroffenen Person die wirksame Ausübung der ihr durch die Datenschutz-Grundverordnung verliehenen Rechte zu ermöglichen, besteht nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO ein Anspruch darauf, eine Kopie von Auszügen aus Dokumenten oder gar von ganzen Dokumenten oder auch von Auszügen aus Datenbanken, die unter anderem diese Daten enthalten, zur Verfügung gestellt zu bekommen.
5. Ein Ausschluss des Auskunftsrechts nach Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DSGVO kommt nur in Betracht, wenn sich der Verantwortliche hierauf beruft und darlegt, dass ein offenkundig unbegründeter oder exzessiver Antrag vorliegt.
Normenkette
Art. 15 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1, Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DSGVO
Sachverhalt
Per E-Mail beantragte der Kläger im Zusammenhang mit einem inzwischen rechtskräftig abgeschlossenen Klageverfahren wegen der Festsetzung der GewSt-Messbeträge 2013 bis 2015 beim FA unter Berufung auf Art. 15 Abs. 3 DSGVO die elektronische Zurverfügungstellung der folgenden Verwaltungsvorgänge: Verwaltungsakten, Betriebsprüfungsakten, Rechtsbehelfsakten, etwaige Handakten, hilfsweise die Überlassung von Kopien personenbezogener Daten, die Gegenstand der Verarbeitung der GewSt-Messbescheide 2013 bis 2015 sind.
Das FA lehnte den Auskunftsantrag ab. Die hiergegen erhobene Klage war erfolglos (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.10.2021, 16 K 5148/20, Haufe-Index 15094032, EFG 2022, 586).
Entscheidung
Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Das FG hat zu prüfen, inwiefern der Kläger der ihm obliegenden Darlegungslast nachgekommen ist und die Zurverfügungstellung von (elektronischen) Kopien der Akten des FA zur wirksamen Ausübung seiner ihm nach der DSGVO zustehenden Rechte unerlässlich ist.
Hinweis
Derzeit sind zahlreiche Verfahren zur DSGVO beim BFH anhängig. Im Streitfall handelt es sich um die erste Grundsatzentscheidung, in der gleich mehrere Fragen zu den Voraussetzungen und der Reichweite des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO beantwortet werden:
1. Nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und weitere im Einzelnen aufgeführte Informationen. Nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO stellt der Verantwortliche eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung.
2. Der BFH hat entschieden, dass ein Steuerpflichtiger vom FA grundsätzlich Auskunft über die ihn betreffenden personenbezogenen Daten verlangen kann, und zwar ungeachtet der Art der Aktenführung, der Art der Dokumente oder der Form der Datenverarbeitung durch die Finanzverwaltung. Für die Akten, die von der Finanzverwaltung (noch) in Papierform geführt werden, nahm der BFH eine zumindest teilautomatisierte Verarbeitung nach Art. 2 Abs. 1 DSGVO an. Damit kam es auf die Streitfrage, was ein Dateisystem ist, nicht mehr an. Denn lediglich bei einer rein manuellen Datenverarbeitung ist es nach Art. 2 Abs. 1 DSGVO erforderlich, dass die personenbezogenen Daten in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen.
3. Der Auskunftsanspruch ist nicht davon abhängig, für welche Steuerart die Datenverarbeitung erfolgt. Er ist nicht auf den Bereich der harmonisierten Steuern beschränkt. Dies hatten einige FG in der Vergangenheit anders gesehen. Der BFH hat unter Verweis auf die EuGH-Rechtsprechung klargestellt, dass Art. 2 Abs. 2 Buchst. a DSGVO so zu verstehen ist, dass damit vom Anwendungsbereich der DSGVO allein Verarbeitungen ausgenommen werden sollen, die von staatlichen Stellen im Rahmen einer Tätigkeit vorgenommen werden, die der Wahrung der nationalen Sicherheit dient, oder einer Tätigkeit, die derselben Kategorie zugeordnet werden kann. Das Besteuerungsverfahren dient nicht einer Tätigkeit der gleichen Kategorie wie die nationale Sicherheit.
4. Der Auskunftsanspruch ist darauf beschränkt, dass der Steuerpflichtige darüber informiert wird, welche ihn betreffenden personenbezogenen Daten verarbeitet werden. Er gewährt grundsätzlich kein Recht auf die (elektronische) Zurverfügungstellung von Kopien von ganzen Akten bzw. einzelnen Dokumenten mit personenbezogenen Daten.
Nur ...