Dr. Marco Möhrer, Dipl.-Kffr. Andrea Kämmler-Burrak
Das Wesentlichkeitskonzept ist ein in der klassischen Finanzberichterstattung bedeutendes Konstrukt. Es kann beispielsweise im Zuge der Anwendung von Ansatz-, Bewertungs- oder Ausweisfragen zum Tragen kommen. Gemäß IAS 1.7 sind "Informationen wesentlich, wenn vernünftigerweise zu erwarten ist, dass ihre Auslassung, fehlerhafte Darstellung oder Verschleierung die Entscheidungen der primären Adressaten von Mehrzweckabschlüssen (…) beeinflussen können." Ähnliche Definitionen finden sich auch in nationalen und internationalen Prüfungsstandards (siehe beispielsweise ISA [DE] 320 Tz. 2 bzw. IDW PS 250 n. F. Tz. 8). Das Konzept der Wesentlichkeit kann sowohl auf quantitative (z. B. für Bilanz und GuV) als auch qualitative (z. B. bei Anhang und Lagebericht) Angaben der Berichterstattung angewendet werden.
Aus der täglichen Unternehmenspraxis sind insb. die unternehmensintern festgelegten quantitativen Wesentlichkeitsgrenzen bekannt. Mit diesen Grenzen definieren Unternehmen regelmäßig, ab welcher Größenordnung bestimmte Vorgaben relevant sind, Accounting-Vereinfachungen genutzt werden können oder Sachverhalte ggf. näher analysiert werden müssen. Ein mögliches Anwendungsbeispiel im Kontext der internationalen Finanzberichterstattung könnte die Definition einer quantitativen Grenze sein, ab der Ausgaben für Vermögensgegenstände gemäß IAS 16 kapitalisiert werden müssen.
Die Wesentlichkeit bei qualitativen Angaben geht bei IFRS-Abschlüssen insbesondere aus IAS 1.31 hervor. Hiernach müssen Unternehmen einer bestimmten Angabepflicht nicht nachkommen, wenn die entsprechenden Informationen (aus Adressatensicht) nicht wesentlich sind. Vor dem Hintergrund des o. g. IAS 16-Falls wäre beispielsweise der Verzicht auf die Angabe der erfassten Entschädigungen von Dritten für wertgeminderte Sachanlagen gemäß IAS 16.74A im Anhang eine mögliche Anwendung der Wesentlichkeit bei qualitativen Informationen.
Bei der Anwendung des Wesentlichkeitskonzepts sollte nicht nur auf rein monetäre Faktoren geschaut werden (unabhängig ob das Wesentlichkeitskonzept auf quantitative oder qualitative Informationen in der Berichterstattung angewendet wird). Stattdessen sollte das Wesentlichkeits-Assessment sämtliche (relevante) Faktoren berücksichtigen. Dieses können sowohl quantitative als auch qualitative Faktoren (wie beispielsweise ein besonderes Interesse von bestimmten Stakeholdergruppen) sein.