Leitsatz
1. Die Regelung über die Entstehung der Steuer für vereinnahmte Anzahlungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG enthält einen selbstständigen und abschließenden Steuerentstehungstatbestand.
2. Von einem Organträger versteuerte Anzahlungen für Leistungen, die erst nach Beendigung der Organschaft abschließend erbracht werden, sind bei der Steuerfestsetzung gegenüber der vormaligen Organgesellschaft steuermindernd zu berücksichtigen.
Normenkette
§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG , § 13 UStG , § 14 Abs. 1 Satz 6 UStG , § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG , § 27 Abs. 1 UStG , Art. 10 Abs. 2 Unterabs. 2 6. EG-RL
Sachverhalt
Der Kläger ist Konkursverwalter einer GmbH, einem Bauunternehmen. Mit Konkurseröffnung endete die Organschaftsstellung der GmbH als Organgesellschaft. Ein bereits begonnenes Bauvorhaben stellte der Kläger nach Konkurseröffnung fertig. Die vor Konkurseröffnung bereits erhaltenen Anzahlungen sind von dem Organträger der Umsatzsteuer unterworfen worden.
Während das FA wegen der Leistungsausführung erst nach Konkurseröffnung, also Wegfall der Organschaft, bei dem Kläger die gesamte Bausumme inklusive der Anzahlungen der Umsatzsteuer unterwerfen wollte, begehrt der Kläger, die bereits von dem Organträger versteuerten Anzahlungen von der Gesamtbausumme abzusetzen.
Entscheidung
Der BFH hat die vor Konkurseröffnung vom damaligen Organträger versteuerten Anzahlungen (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG) von der übrigen Umsatzsteuerschuld der GmbH abgesetzt. Zwar sei mit Konkurseröffnung das Organschaftsverhältnis beendet und läge auch eine Leistungsausführung ohne Teilleistungen erst nach Konkurseröffnung vor. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG sei jedoch – wie sich aus dem Wortlaut und dem Sinn der Vorschrift ergebe – ein selbstständiger und abschließender Steuertatbestand. Insbesondere auch die Regelung in § 14 Abs. 1 Satz 6 und in § 27 Abs. 1 UStG verlangten nach dem eindeutigen Schluss, dass vor der Leistung vereinnahmte und abgerechnete Teilentgelte nicht noch einmal in Rechnung gestellt werden dürfen, sondern endgültig abzusetzen seien.
Hinweis
Anzahlungen sind stets und unabhängig von ihrer Höhe der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Dem Zahlenden steht korrespondierend der Vorsteuerabzug auch vor Leistungsausführung gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG zu. Über Anzahlungen erteilte Rechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis unterliegen der besonderen Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 6 UStG. Die ausgewiesene Umsatzsteuer ist in der Endrechnung offen abzusetzen, ansonsten droht in Höhe der nicht abgesetzten Umsatzsteuer aus der Anzahlungsrechnung eine §-14-Abs.-2-Schuld.
Die Bedeutung des vorliegenden Falls ergab sich aus der Besonderheit des umsatzsteuerlichen Organschaftsverhältnisses: eine nach zivilrechtlichen Maßstäben selbstständige Firma ist umsatzsteuerlich unter den Vorgaben des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht selbstständig tätig. Sämtliche von ihr getätigten Umsätze sind dem Organträger zuzurechnen, der auch unter seiner Steuernummer die Umsätze der Finanzbehörde gegenüber anmeldet. Anzahlungen sind folgerichtig auch nur vom Organträger zu erklären.
Endet das Organschaftsverhältnis aber vor Leistungsausführung, so wird die vormalige Organgesellschaft umsatzsteuerlich zum Unternehmer. Ihr sind jetzt die ausgeführten Umsätze nach Wegfall der Organschaft als eigene zuzurechnen. Der BFH hat nunmehr klargestellt, dass eine Anzahlung nicht doppelt besteuert werden darf. Hat bereits der Organträger die Anzahlung als eigene Schuld angemeldet, so darf dieselbe Anzahlung nicht noch einmal nach Leistungsausführung bei der zu diesem Zeitpunkt selbstständigen vormaligen Organgesellschaft besteuert werden. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG ist ein eigenständiger und abschließender Tatbestand.
Achten Sie aber bitte darauf, dass mit dieser Sichtweise nicht etwa die Regelung des § 27 Abs. 1 UStG außer Kraft gesetzt wird. Es bleibt dabei, dass beispielsweise bei Steuersatzänderungen der neue Steuersatz für alle Umsätze nach Leistungsausführung zur Anwendung kommt, auch soweit Anzahlungen vor Steuersatzänderungen geleistet worden sind.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 21.6.2001, V R 68/00