Leitsatz
1. Führt der Arbeitgeber für zunächst als steuerfrei behandelten Arbeitslohn nachträglich Lohnsteuer an das FA ab, so fließt dem Arbeitnehmer hierdurch zusätzlicher Arbeitslohn zu. Das gilt unabhängig davon, ob die nachträglich lohnversteuerten Einkünfte tatsächlich sachlich steuerpflichtig waren oder nicht.
2. Nach Art. 15 DBA Zypern in Zypern zu besteuernde Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit sind nicht von der deutschen Einkommensteuer freigestellt, wenn sie nach dem Steuerrecht Zyperns nicht der dortigen Einkommensteuer unterliegen.
Normenkette
§§ 11 Abs. 1 Satz 1, 19 Abs. 1, 38 EStG, Art. 15 Abs. 1 und 2 DBA-Zypern
Sachverhalt
Der Kläger war in den Jahren bis 1989 für einen in Deutschland ansässigen Arbeitgeber nichtselbstständig tätig. In der Zeit vom 1.6.1989 bis zum 31.7.1991 wurde er in einer in Zypern tätigen Tochtergesellschaft dieses Arbeitgebers eingesetzt. Für diese Zeit zog der Kläger, der bis dahin im Inland gewohnt hatte, nach Zypern. Seine inländische Wohnung behielt er bei und kehrte nach dem Abschluss der Tätigkeit in Zypern dahin zurück.
Während seines Aufenthalts in Zypern überwies der Arbeitgeber dem Kläger einen Teil seines Arbeitslohns nach Zypern. Der größere Teil des Arbeitslohns wurde demgegenüber weiterhin auf ein im Inland unterhaltenes Bankkonto des Klägers überwiesen. Ein Lohnsteuerabzug wurde nicht vorgenommen, die Einkünfte für die Tätigkeit in Zypern wurden vom Kläger auch nicht erklärt.
Ausgelöst durch eine Lohnsteuer-Außenprüfung entrichtete der Arbeitgeber im Streitjahr 1993 die Lohnsteuer für den betreffenden Arbeitslohn dann aber doch noch nach, ohne sie beim Kläger zurückzufordern. Das FA erließ ihm gegenüber daraufhin für 1989 bis 1991 geänderte ESt-Bescheide, in denen die auf das inländische Konto gezahlten Lohnanteile als steuerpflichtige Einkünfte erfasst und zugleich die nachgezahlte Lohnsteuer angerechnet wurde. Bei der Veranlagung für 1993 behandelte das FA die nachgezahlten Lohnsteuerbeträge als im Streitjahr zugeflossene Einnahmen.
Entscheidung
Die Entscheidung Auch der BFH sah in der nachträglichen Abführung der Lohnsteuer einen geldwerten Vorteil, der dem Kläger bei Abführung im Streitjahr 1993 zugeflossen sei. Die vorhergehende Anrechnung auf die ESt-Festsetzungen für 1989 bis 1991 ändere daran nichts, weil bereits die Abführung beim Kläger den Anrechnungsanspruch gegenüber dem FA ausgelöst habe. Da er zu diesem Zeitpunkt auch wieder in Deutschland gewohnt habe, habe er sich letztlich auch nicht mehr auf das DBA Zypern berufen können.
Hinweis
1. Der Arbeitgeber des Klägers hatte für dessen Tätigkeit und auf dessen Rechnung aus nichtselbstständiger Arbeit nachträglich Lohnsteuer an das FA abgeführt. Damit war die Lohnsteuer dem Arbeitnehmer zugleich zugeflossen. Denn ständiger Rechtsprechung nach gehört das "Behaltendürfen", also der Rechtsgrund einer Vorteilszuwendung, nicht zum tatsächlichen Zufluss. Folglich ist unbeachtlich, ob die Lohnsteuer sachlich-rechtlich tatsächlich geschuldet wird oder ob die zu Grunde liegenden Einkünfte steuerfrei sind. Es ist ebenso unbeachtlich, dass ein Arbeitgeber immer auch auf seine eigenen Entrichtungssteuerschuld leistet. Das Fremdinteresse des Arbeitnehmers wird dadurch ebensowenig überlagert, als wenn der Arbeitgeber eine Haftungsschuld begleicht. Und schließlich ist es für die Frage des Zuflusses unbeachtlich, ob der Arbeitnehmer mit der Lohnsteuer-Abführung einverstanden war. Auch wenn dies nicht der Fall ist, kann er sich nicht auf die Grundsätze einer aufgedrängten Bereicherung berufen.
2. Beachten Sie, dass der BFH eindeutig zwischen der "Zuwendung" einer Forderung und deren Erfüllung unterscheidet: Wird eine (Dritt-)Forderung durch die Leistung begründet, dann liegt bereits darin die Zuwendung. Dass diese Forderung möglicherweise nicht unmittelbar realisiert werden kann, ist für den Zufluss, also für die Erlangung einer wirtschaftlichen Verfügungsmacht, ohne Bedeutung.
Von daher blieb der Zufluss im Urteilsfall unberührt von dem Umstand, dass die Lohnsteuerabführung für den Kläger keine unmittelbare Erstattungsforderung gegenüber dem FA auslöste, dass diese vielmehr erst später durch Anrechnung bei der nachfolgenden Veranlagung realisiert werden konnte.
Anders verhält es sich hingegen, wenn lediglich auf die Leistung des Zuwendenden als solche eine Forderung besteht. Dann kommt es für die Frage des Zuflusses auf die Erfüllung an. Von aktueller Relevanz ist diese Differenzierung bei Aktienoptionen, die Mitarbeitern gewährt werden: Die Gewährung der Option löst nach Lage der Dinge noch keinen Zufluss aus; sondern erst deren Ausübung durch den begünstigten Mitarbeiter. Das ist bereits bisher ständige Rechtsprechung des VI. Senats des BFH (vgl. Beschluss vom 23.7.1999, VI B 116/99, BStBl II 1999, 684) und das gibt auch gewisse Fingerzeige darauf, wie der I. Senat über die derzeit noch ausstehenden Rev. I R 100/98 und I R 119/98 (Vorinstanz: FG Köln, EFG 1998, 1411, 1999, 116) entscheiden könnte; auch dort geht es...