Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
1. Kann der Arbeitnehmer die von seinem Arbeitgeber erworbenen Genussrechte nur dadurch verwerten, dass er sie nach Ablauf der Laufzeit an diesen veräußert, und hängt die Höhe des Rückkaufswerts der Genussrechte davon ab, wie das Anstellungsverhältnis endet, handelt es sich bei dem Überschuss aus dem Rückverkauf der Genussrechte um Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG.
2. Der geldwerte Vorteil fließt dem Arbeitnehmer zu dem Zeitpunkt zu, in dem ihm das Entgelt für die Rücknahme der Genussrechte ausgezahlt wird.
Normenkette
§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Satz 3, § 38a Abs. 1 Satz 3, § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG
Sachverhalt
Der Geschäftsführer einer GmbH erwarb von dieser Genussrechte zum Gesamtnennbetrag von 20.000 DM. Dadurch sollten die Führungskräfte der GmbH an deren Wertsteigerung beteiligt werden. Die Genussrechte konnten grundsätzlich nur an die GmbH veräußert oder übertragen werden. Dem Kläger stand ein Anspruch auf einen jährlichen Genusszins in Höhe von 10 % zu. Die Beteiligung an einem Verlust der GmbH war ausgeschlossen. Die Laufzeit wurde auf zehn Jahre festgelegt. Eine Kündigung vor Ablauf war von beiden Seiten mit einer Frist von zwölf Monaten zum Ende des Geschäftsjahres möglich. Bei einem Ausscheiden des Klägers aus der GmbH sollte das Genussrechtsverhältnis ohne Kündigung zum Ende des Kalenderjahres enden. Für den Fall der Rückübertragung sollte der Rückkaufswert nach der Formel "Nennbetrag des Genussrechts mal Unternehmenswert der GmbH zum Beendigungszeitpunkt geteilt durch Unternehmenswert der GmbH zum Zeichnungszeitpunkt" berechnet werden, wobei der Unternehmenswert nach dem sog. Stuttgarter Verfahren zu bestimmen war. Der Rückkaufswert wurde auf das 200-fache des Nennbetrags der Genussrechte begrenzt.
Später verkürzten die Parteien die Laufzeit des Genussrechts und einigten sich auf einen Rückkaufswert in Höhe von 1.600.000 EUR, der mit dem Ausscheiden des Klägers als Geschäftsführer der GmbH fällig werden sollte. Bei Kündigung des Anstellungsverhältnisses wegen schuldhaften Verhaltens des Klägers sollte das Genussrechtsverhältnis vorzeitig enden; bis auf die Rückzahlung des eingesetzten Kapitals sollten sämtliche Zahlungsansprüche des Klägers aus dem Genussrechtsvertrag entfallen. Nach Beendigung seiner Tätigkeit als Geschäftsführer erhielt er den vereinbarten Betrag aus der Rückübertragung der Genussrechte in Höhe von 1.600.000 EUR ausgezahlt.
Das FA erfasste diesen Betrag zunächst insgesamt als Arbeitslohn, setzte allerdings im Einspruchsverfahren nur noch Arbeitslohn in Höhe von 474.144 EUR an, weil es davon ausging, dass die GmbH für den Rückerwerb der Genussrechte einen insoweit überhöhten Preis gezahlt hatte.
Das FG wies die Klage ab, nahm aber Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG an (FG München, Urteil vom 29.3.2011, 12 K 3991/09, EFG 2011, 1522).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück. Der dem Kläger von der GmbH für die Rückübertragung der Genussrechte gewährte Betrag sei den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) zuzurechnen, die Vorentscheidung sei im Ergebnis richtig.
Der bei der Rückübertragung der Genussrechte erzielte Überschuss sei durch das Dienstverhältnis des Klägers veranlasst. Der Kläger habe die Genussrechte nur dadurch verwerten können, dass er sie nach Ablauf der Laufzeit an seine Arbeitgeberin veräußert habe. Die Höhe des Rückkaufswerts sei davon abhängig gewesen, wie das Anstellungsverhältnis endete. Wäre das Arbeitsverhältnis wegen schuldhaften Verhaltens des Klägers ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt worden, wäre auch das Genussrechtsverhältnis mit sofortiger Wirkung beendet worden und hätte sich der Rückkaufswert lediglich auf 20.000 DM belaufen. Nur bei einer Beendigung des befristeten Anstellungsvertrags ohne Kündigung aus wichtigem Grund habe sich der Rückkaufswert auf 1.600.000 EUR belaufen. Der Vorteil, den der Kläger durch den Rückkauf der Genussscheine erhielt, sei danach nicht durch eine vom Arbeitsverhältnis unabhängige und eigenständige Sonderrechtsbeziehung veranlasst gewesen. Seine Höhe sei von dem Verhalten des Klägers als Arbeitnehmer der GmbH abhängig und somit Belohnung für seine Leistung gewesen.
Der geldwerte Vorteil sei ihm nicht schon mit dem Leistungsversprechen der GmbH zugeflossen, sondern erst im Streitjahr, in dem ihm das Entgelt für die Rücknahme der Genussrechte ausgezahlt worden sei.
Hinweis
1. Werden Arbeitnehmer an ihrem Unternehmen beteiligt, sei es durch Aktien, Aktienoptionen oder – wie hier – durch Genussrechte, so liegen diese Sachverhalte regelmäßig an der Schnittstelle verschiedener Einkunftsarten. Es können die Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit oder aus Kapitalvermögen betroffen sein.
2. Einnahmen aus nicht selbstständiger Arbeit nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG sind alle Vorteile, die mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis einger...