Leitsatz
Der Arbeitgeber als Halter eines Kfz leistet die Zahlung eines Verwarnungsgeldes wegen einer ihm gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 OWiG erteilten Verwarnung auf eine eigene Schuld. Die Zahlung führt daher nicht zu Arbeitslohn des die Ordnungswidrigkeit begehenden Arbeitnehmers.
Normenkette
§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2, § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 56 OWiG
Sachverhalt
Die Klägerin betreibt einen Paketzustelldienst. Soweit sie in Innenstädten bei den zuständigen Behörden keine Ausnahmegenehmigung nach § 46 StVO erhalten konnte, die ein kurzfristiges Halten zum Be- und Entladen in ansonsten nicht freigegebenen Bereichen (z.B. Halteverbots- oder Fußgängerzonen) unter bestimmten Auflagen ermöglicht hätte, nahm sie es hin, dass die Fahrer ihre Fahrzeuge auch in Halteverbotsbereichen oder Fußgängerzonen kurzfristig abstellten. Wenn für diese Ordnungswidrigkeit Verwarnungsgelder erhoben wurden, zahlte die Klägerin diese als Halterin der Fahrzeuge. Das FA war der Ansicht, es handele sich hierbei um Arbeitslohn bei den Fahrern, die die Ordnungswidrigkeiten begangen haben. Das FG hat der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage stattgegeben (FG Düsseldorf, Urteil vom 4.11.2016, 1 K 2470/14 L, Haufe-Index 10180196).
Entscheidung
Auf die Revision des FA hob der BFH das angefochtene Urteil auf und wies die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück.
Hinweis
1. Das FG ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass den Arbeitnehmern der Klägerin nicht schon deshalb Arbeitslohn zugeflossen ist, weil die Klägerin die Verwarnungsgelder i.S.d. § 56 OWiG an die zuständige Verwaltungsbehörde gezahlt hat.
a) Denn die Zahlung des Verwarnungsgeldes erfolgte auf eine eigene Schuld der Klägerin und kann daher nicht zu einem Zufluss von Arbeitslohn bei dem Arbeitnehmer führen, der die Ordnungswidrigkeit begangen hat. Die Klägerin hat die Verwarnung durch Zahlung des Verwarnungsgeldes sich gegenüber wirksam werden lassen. Da ihr die Verwarnung ungeachtet ihres fehlenden Tatbeitrags als Fahrzeughalterin erteilt wurde, war nur sie Beteiligte des Verwaltungsverfahrens und nicht der Fahrer, der die Ordnungswidrigkeit begangen hatte.
b) Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Streitfall von dem, dem BFH-Urteil vom 7.7.2004 (VI R 29/00, BFH/NV 2005, 596) zugrunde liegenden Sachverhalt. Denn dort hatte das FG bindend festgestellt, dass die Klägerin die Zahlung von Verwarnungsgeldern übernommen hatte, die von den bei ihr beschäftigten Fahrern wegen Verletzungen des Halteverbots erhoben worden waren. Auch im BFH-Urteil vom 14.11.2013 (VI R 36/12, BFH/NV 2014, 417) ging es – anders als im Streitfall – um die Übernahme von gegen die Arbeitnehmer verhängten Bußgeldern.
2. Die Feststellungen des FG tragen indes nicht dessen weitere Würdigung, den Arbeitnehmern der Klägerin sei auch dadurch kein geldwerter Vorteil zugeflossen, weil die Klägerin ihnen keine realisierbare Forderung in Form eines vertraglichen oder gesetzlichen Rückgriffs- oder Schadensersatzanspruchs erlassen habe, da ein solcher nicht bestanden habe.
a) Einen vertraglichen Regressanspruch der Klägerin hat das FG verneint, weil eine Zusage des Arbeitgebers, eine dem Arbeitnehmer bei der Arbeitsausübung auferlegte Geldstrafe oder -buße zu übernehmen, einen Verstoß gegen die guten Sitten i.S.d. § 138 BGB begründe und eine derartige Vereinbarung daher nicht zur Disposition von Arbeitnehmer und Arbeitgeber stehe. Um eine derartige, dem Arbeitnehmer auferlegte Geldstrafe oder -buße geht es nach den vorstehenden Ausführungen vorliegend aber gerade nicht.
b) Das FG konnte einen gesetzlichen Anspruch der Klägerin aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683 Satz 1, 670 BGB) nicht gestützt auf das Vorbringen der Klägerin verneinen, die Übernahme der Verwarnungsgelder sei im ausschließlich eigenbetrieblichen Interesse erfolgt. Denn dieses Vorbringen steht im Widerspruch zu ihrem weiteren Vortrag, ihre Fahrer seien angewiesen, sich auch in solchen Gebieten an die geltenden Verkehrsregeln zu halten, für die eine Ausnahmegenehmigung nicht zu erlangen sei.
3. Das FG wird deshalb im zweiten Rechtsgang erneut zu prüfen haben, ob und wenn ja in welcher Höhe der Klägerin wegen der von ihren Fahrern unstreitig begangenen Parkverstöße ein (vertraglicher oder gesetzlicher) Regressanspruch gegen den jeweiligen Verursacher zusteht.
a) Sollte das FG dabei zu dem Ergebnis gelangen, dass der Klägerin wegen der Parkverstöße ein realisierbarer (einredefreier und fälliger) Schadensersatzanspruch gegen den jeweiligen Fahrer zustand, wird es der Frage nach dem Zeitpunkt des Erlasses gemäß § 397 BGB, d.h. dem Zufluss des damit einhergehenden geldwerten Vorteils, nachgehen müssen (siehe dazu BFH, Urteil vom 24.5.2007, VI R 73/05, BFH/NV 2007, 1586).
b) Abschließend weist der BFH für den Fall, dass die Klägerin ihren Arbeitnehmern eine realisierbare Schadensersatzforderung erlassen hat, klarstellend darauf hin, dass das Vorliegen von Arbeitslohn entgegen der Ansicht des FG nich...