Kommentar
Das BMF hat in Zusammenarbeit mit den obersten Finanzbehörden der Länder die Liste der Vorläufigkeitsvermerke in den Einkommensteuerbescheiden verlängert.
Die Finanzverwaltung setzt Steuern im Hinblick auf anhängige Verfahren vorläufig fest, um individuelle Einspruchsverfahren und den damit zusammenhängenden Verwaltungsaufwand zu vermeiden. Denn durch den Vorläufigkeitsvermerk wird der Bescheid partiell nicht bestandskräftig und kann in Bezug auf den Vorläufigkeitsvermerk jederzeit geändert werden.
Vorläufigkeitsvermerk im Hinblick auf die Berücksichtigung von Beiträgen zu Versicherungen gegen Arbeitslosigkeit im Rahmen eines negativen Progressionsvorbehalts
Umstritten ist derzeit, ob Beiträge von Arbeitnehmern zur Arbeitslosenversicherung in vollem Umfang als Sonderausgaben im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung abgesetzt werden können. Derzeit sind höchstens 1.900 EUR absetzbar, allerdings wird dieser Freibetrag in der Regel durch die in vollem Umfang absetzbaren Basisbeiträge zur Krankenversicherung aufgebraucht. De facto wirken sich damit Beiträge zur Arbeitslosenversicherung nicht steuermindernd aus.
Im Gegenzug unterliegt das Arbeitslosengeld nach dem sog. Progressionsvorbehalt nach § 32b EStG der Einkommensteuer, indem sich durch die Zahlung von Arbeitslosengeld der Steuersatz für das übrige steuerpflichtige Einkommen erhöht. Aufgrund dieses Progressionsvorbehalts wird die Auffassung vertreten, dass auch die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung steuerlich abziehbar sein müssen oder zumindest im Wege des sog. negativen Progressionsvorbehalts entsprechend der Regelung in § 32b EStG steuermindern berücksichtigt werden müssen. Nach einer ablehnenden Entscheidung des BFH ist diese Frage nunmehr beim BVerfG (Az. 2 BvR 598/12) anhängig. Das BMF hat durch das jetzt veröffentlichte Schreiben angeordnet, dass sämtliche Einkommensteuerfestsetzungen, bei denen dies noch verfahrensrechtlich möglich ist, hinsichtlich des negativen Progressionsvorbehalts von Arbeitslosenbeiträgen für vorläufig zu erklären sind. Allerdings soll dies nur dann gelten, wenn in der Steuerfestsetzung Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit erfasst werden.
Dieser Vorläufigkeitsvermerk ist in 2 Punkten problematisch:
1. Der Vorläufigkeitsvermerk bezieht sich nur auf den Abzug im Wege des sog. negativen Progressionsvorbehalts; der Abzug der Arbeitslosenbeiträge in voller Höhe wird nicht vom Vorläufigkeitsvermerk erfasst. Wer sich den vollen Abzug offen halten will, muss trotz Vorläufigkeitsvermerk Einspruch gegen den Steuerbescheid einlegen.
2. Für vorläufig werden nur Steuerbescheide mit Arbeitnehmereinkünften erklärt. Selbstständige, dies sich freiwillig gegen Arbeitslosigkeit versichern, sind daher gezwungen, gegen die Steuerbescheide Einspruch einzulegen und das Ruhen des Verfahrens zu beantragen. Ggf. lässt sich das Finanzamt aber auch darauf ein, individuell den Vorläufigkeitsvermerk aufzunehmen. Anders als bei Arbeitnehmern muss hier aber der Steuerpflichtige bzw. seine Vertretung aktiv werden.
Trotz Vorläufigkeitsvermerk: bei Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung Einspruch notwendig
Soll wegen der anhängigen Frage die Steuerzahlung ausgesetzt werden, ist trotz des Vorläufigkeitsvermerks ein Einspruch erforderlich, da ein Aussetzungsantrag nur im Einspruchs- oder Klageverfahren zulässig ist. Vor dem Hintergrund einer jüngst getroffenen Entscheidung des BFH zur Aussetzung von Erbschaftsteuer kommt dieser Frage erhöhte praktische Bedeutung zu. Denn der BFH hatte darin entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung deutlich gemacht, dass im Einzelfall das Aussetzungsinteresse des Steuerpflichtigen auch dann Vorrang vor dem Vollzugsinteresse des Fiskus haben kann, wenn zu erwarten ist, dass das BVerfG eine Regelung nur für die Zukunft - ggf. nach Ablauf einer Nachbesserungsfrist für nichtig erklären wird. Damit hat er gezeigt, dass die Aussetzung der Vollziehung auch wegen einer Verfassungsbeschwerde möglich ist. Das wurde bislang abgelehnt.
Link zur Verwaltungsanweisung
BMF, Schreiben v. 7.2.2014, IV A 3 - S 0338/07/10010